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TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

Titel: TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
Autoren: Stefan Wolf
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Ein Brief. Sie strich ihn glatt. Offenbar hatte er sich in der Tasche beengt gefühlt zwischen Lippenstift, Schlüsselbund, Geldbörse, Eau-de-Toilette-Spray oder - Fläschchen, Taschentuch, Puderdose und was sonst noch die urbane Lady (weltstädtische Dame) mit sich herumschleppt.
    Himmel, komme ich mir blöd vor! dachte er. Das wird doch nie und nimmer ein zeitungswertes Ereignis.
    Nicht mal für unsere Teenie-Postille.
    Die Tür wurde geöffnet. Ein Mann blickte heraus. Tim konnte das Gesicht erkennen. Es erinnerte an einen mürrischen Gaul, und die Dreiviertel-Glatze schob sich weit über den Kopf.
    Es war ein großer, knochiger Typ in schlampigen Cordhosen und ausgeleiertem Pullover. Das Gesicht wirkte irgendwie nackt - wie ein entblößter Hintern.
    Die Frau redete mit dem Mann.
    Er starrte sie an. Er nickte.
    Sie gab ihm den Brief. Gaulgesicht nahm ihn.
    Sie sagte noch was. Er nickte abermals.
    Sie wandte sich um und ging zur Straße zurück.
    Er blickte ihr nach, ungebührlich lange. Dann leckte er sich was aus dem Mundwinkel - vielleicht einen Kuchenkrümel.
    O-eins kam zurück und schloss im Gehen ihre Tasche, deren Verschluss offenbar nicht eingerastet war.
    Hm! dachte Tim. Wenn das nicht das heißeste Erlebnis dieses Winters wird, fahre ich meine Rollerblades nur noch im Handstand.
    Der TKKG-Häuptling war enttäuscht. Zeit und Mühe gingen drauf für eine Nichtigkeit. Gabys Idee sah nur gut aus als theoretischer Entwurf.
    Aber einmal entschieden, musste er weitermachen. Abgekürzt, allerdings.
    Gaulgesicht war in seine vier Wände zurückgewichen und hatte die Hüttentür dichtgemacht.
    Tim kam hinter dem Altglas-Container hervor, lächelte so gewinnend wie möglich und ging auf O-eins zu.
    Sie sah ihm entgegen, nicht unfreundlich, aber ein wenig auf der Hut. Schließlich ist Tim ein athletischer Typ und wirkt älter als er ist.
    Er grüßte. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche. Aber ich habe ein Anliegen. Ich bin Schüler der Internatsschule südlich der Stadt und unter anderem der Chefreporter vom BS-Observer, unserer Schülerzeitung."
    Er machte eine Pause und ließ diese beeindruckende Nachricht erst mal wirken.
    O-eins lächelte. "Ja, und?"
    "Ich recherchiere Ereignisse aus dem Alltag nach einem festgelegten System. Meine Freundin Gaby hatte diese journalistische Idee. Gaby ist die Tochter von Kommissar Glockner, dem bekannten Kripo-Kommissar, und Redaktionsmitglied. Für unser aktuelles Alltagsereignis haben wir Sie ausgewählt, meine Dame. Übrigens heiße ich Peter Garsten. Aber ich werde Tim genannt."
    "Freut mich, Tim. Ich bin Martina Paulmann. Ich nehme an, es geht um meinen Onkel."
    "Äh...wie?"
    "Um Robert Paulmann. Er war Sprengmeister. Aber über dieses tragische Unglück stand ja schon alles in der Zeitung. Er kam ums Leben beim Entschärfen einer Bombe - einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg.
    Einer von denen, die nun schon über 50 Jahre als Blindgänger bei uns im Boden liegen. Es sind noch viele."
    "Aha! Interessant!" Tim entsann sich, darüber gelesen zu haben - vor etwa sechs Wochen. "Aber das ist eigentlich nicht mein Anliegen. Obwohl die Tragödie vielleicht erwähnt werden sollte in unserem Interview. Weshalb ich Sie sprechen möchte, ist etwas anderes. Nämlich... "
    Er erklärte es ihr. Sie war hell im Gedächtnisspeicher, begriff sofort und fand die Idee amüsant.
    "Aber eine lange Verfolgung", meinte sie, "ist das ja nicht gewesen. Du entwürdigst die Grundidee deiner Freundin. Du kürzt die Verfolgung stark ab."
    "Weil ich mir denke, es kommt nichts mehr dabei raus. Sie gehen doch jetzt nur noch nach Hause?"
    "Nicht ganz. Ich will zu meinem Verlobten. Auch Volker ist Sprengmeister. Volker Sommer. Er ist leitend
    im hiesigen KMRD."
    "Wofür steht die Abkürzung?"
    "Kampfmittel-Räumdienst."
    "Ein gefährlicher Job."
    "Ich habe furchtbare Angst um Volker. Manchmal habe ich sogar Zweifel, ob ich ihn heiraten soll. Weil ich dann nicht mehr rauskomme aus dieser Angst. Auch um meinen Onkel war ich immer besorgt. Er ist nur 56 geworden. Die Bombe hat ihn zerfetzt. Auch zwei seiner Kollegen wurden getötet. Und drei schwerverletzt. Jetzt kann ich nur noch trauern um Onkel Robert."
    "Mein aufrichtiges Beileid."
    "Danke! Ich habe früh meine Eltern verloren und bin bei Onkel Robert aufgewachsen. Es war nicht ganz einfach mit ihm. Aber er hat gut für mich gesorgt."
    Sie gingen nebeneinander dieselbe Strecke zurück, die sie gekommen waren. Tim überragte Martina um einen halben
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