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Titan-4

Titan-4

Titel: Titan-4
Autoren: Frederik Pohl
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den Teil der Höhlung zu erreichen, wo der Kalksteinblock und die übrigen Trümmer zur Ruhe gekommen waren, doch die Basaltlava war dort unten so fest und bruchlos, daß ein Durchkommen nicht möglich war. Nun wollte er von oben in die Höhle eindringen und bei dieser Gelegenheit feststellen, welche Wirkung die neu entdeckte Kraft auf lebende Materie hatte.
    Der Felsblock, in dessen Spalten und Höhlungen er lag, brach wie sein Vorgänger los, und Derel wurde der erste Vertreter seiner Art, der die Beschleunigung der Schwerkraft erfuhr. Er entdeckte auch als erster, daß das Bemerkenswerteste an einem Fall das jähe Anhalten ist. Der Aufprall verletzte ihn nicht – schließlich war er es gewohnt, in Regionen mit seismischen Spannungen und häufigen Erdbeben zu reisen und mit Hilfe der entstehenden Schockwellen zu sehen –, aber das ganze Erlebnis war einigermaßen überraschend. Zum Beispiel hatte der Felsblock sich im Fallen überschlagen, und niemand hatte jemals eine plötzliche Veränderung der Orientierung in bezug auf seine Umgebung erlebt. Derel brauchte mehrere Sekunden, bis er begriff, daß er sich bewegt hatte, nicht das umgebende Universum.
    Nachdem er sich davon überzeugt hatte, verließ er den Felsblock, mit dem er gefallen war; und indem er dies tat, lernte er die schmerzlichste Lektion von allen.
    Derels Körper war flüssig. Seine Dichte war geringer als die des Wassers, da er vor allem aus Kohlenwasserstoffen bestand. Unter normalen Bedingungen fand er Halt durch den umgebenden Fels, worin er sich bewegte, indem er die Oberflächenspannung seiner Flüssigkeit steuerte, ähnlich einer Amöbe oder auch einem menschlichen Muskel. Außerhalb des Halt bietenden Gesteins war er jedoch nur eine Pfütze aus öliger Flüssigkeit, und sobald er angefangen hatte, den Felsblock zu verlassen, konnte er nicht mehr zurück. Der Block lag nicht ganz am Boden der großen Höhlung; sobald ein Teil von Derels Masse zum Vorschein kam, floß sie abwärts zum tiefsten erreichbaren Punkt, und er hatte die Wahl, der Teilmenge zu folgen oder auseinandergerissen zu werden. Die Alternative sagte ihm genausowenig zu, wie sie einem festeren Organismus zugesagt hätte. Er folgte der heraushängenden Masse, und fünf Sekunden später war er ein völlig hilfloser Teich lebender Flüssigkeit am Boden einer Mulde aus glasiger, undurchdringlicher Lava. Er konnte nicht einmal die eigene Oberfläche kräuseln.
    Aber er konnte sich verständlich machen: Die Leitfähigkeit des eisenharten Lavabasalts war hervorragend. Er befand sich jedoch in einem Zustand von Panik und konnte zunächst keinen intelligenten Gebrauch von der Verständigungsmöglichkeit machen. Alles, was seine Begleiter hörten, war eine Serie endlos wiederholter Warnungen, leere Räume zu meiden und sich unter keinen Umständen der neuen Kraft auszusetzen. Er forderte sie auf, in die Heimat zurückzukehren und ihn sterben zu lassen. Keinesfalls aber sollten sie vergessen, die Führer der Städte und alle anderen zu warnen. Wäre Derel nicht so aufgeregt gewesen, hätte er nach kurzem Überlegen den Ausweg gefunden; aber man kann ihm kaum vorwerfen, daß seine Lage ihn in Angst und Schrecken versetzte. Ein Mensch, der sich plötzlich vollständig in Beton eingebettet sieht, doch irgendwie noch immer lebt und atmet und sprechen kann, könnte die Gefühle des Wissenschaftlers nachempfinden.
    Glücklicherweise blieben seine Begleiter ruhig, und einer von ihnen sah die Lösung. Derel fand zur Vernunft zurück, als kleine Stücke Kalkstein von der Deckenöffnung herabzufallen begannen, wobei sie manchmal seinen Körper durchschlugen. Es war ein langes und mühseliges Geschäft, aber schließlich brachten die Bewohner des Gesteins zustande, was der Druck einer tausend Meter starken Kalksteindecke in Jahrmillionen nicht erreicht hatte, und die Höhle war mit losgelöstem Schutt und Trümmern angefüllt. Selbst unter diesen Bedingungen war das Vorankommen nicht einfach – die Räume zwischen den einzelnen Gesteinsbrocken waren zu groß, um Halt zu finden, und Derel hatte eine starke Abneigung gegen offene Räume entwickelt. Doch war ein Weiterkommen wenigstens möglich, und schließlich fand er sich wieder in bewohnbarem, begehbarem, bequemem Fels außerhalb jener schrecklichen Höhle. Lange ruhte er aus; und als er endlich sprach, geschah es mit Überzeugung.
    »Was immer wir in der Zukunft über diese Kraft lernen mögen, niemand kann an ihrer Realität zweifeln. Ich hoffe,
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