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Titan-4

Titan-4

Titel: Titan-4
Autoren: Frederik Pohl
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drunten im Keller gefangen, indem er sie glauben machte, sie rieche Käse, den am allerreifsten riechenden und stinkig-köstlichsten Käse, welchen eine Ratte jemals zu riechen glaubte, und sie war aus ihrem Loch gekommen, und nun hatte Anthony sie in seiner geistigen Gewalt und ließ sie Possen vollführen.
    Die Ratte versuchte fortzulaufen, als sie Bill Soames sich nähern sah, aber Anthony bedachte sie mit einem Gedanken, und sie schlug auf dem Rasen einen Purzelbaum, blieb liegen, zitterte, ihre Augen glänzten kleines schwarzes Entsetzen.
    Bill Soames eilte an Anthony vorüber und erreichte, während er vor sich hinmurmelte, die Stufen zur Veranda. Er murmelte immer, wenn er zum Haus der Fremonts oder nur vorbei kam, sogar dann, wenn er bloß daran dachte. Alle taten das. Sie dachten an dummes Zeug, an Dinge ohne sonderlichen Sinn, wie etwa: Zwei-und-zwei-ist-vier-mal-zwei-ist acht und so weiter; sie bemühten sich, ihre Gedanken zu verwirren, sie sich im Kreis drehen zu lassen – alles zu dem Zweck, damit Anthony ihre Bewußtseinsinhalte nicht lesen könne. Das Murmeln half dabei. Denn sobald Anthony irgendeinen klaren Gedanken erfaßte, der sich mit diesem oder jenem Problem beschäftigte, fiel es ihm womöglich ein, etwas zu unternehmen – den bösen Kopfschmerz einer Ehefrau zu beheben, eines Kindes Ziegenpeter zu heilen, jemandes alte Milchkuh wieder in Schwung zu bringen oder den Abtritt auszubessern. Und obwohl er vielleicht beileibe nichts Übles beabsichtigte, durfte man nicht von Anthony erwarten, daß er eine vernünftige Vorstellung davon besaß, was man in solchen Fällen wirklich tun mußte.
    So war es jedenfalls, wenn er jemanden mochte. Dem versuchte er vielleicht auf diese Weise zu helfen. Und herauskommen konnten die schrecklichsten Sachen.
    Wenn er jemanden nicht leiden konnte… nun, das ging möglicherweise noch viel schlimmer aus.
    Bill Soames stellte den Karton mit den Kolonialwaren auf das Geländer der Veranda und unterbrach sein Gemurmel gerade lange genug, um sagen zu können: »Alles dabei, das Sie wollten, Miß Amy.«
    »Oh, prachtvoll, William«, sagte Amy Fremont fröhlich. »Meiner Treu, ist es nicht furchtbar heiß heute?«
    Bill Soames krümmte sich fast zusammen. Seine Augen flehten sie an. Er schüttelte heftig den Kopf: Nein . Dann unterbrach er sein Gemurmel erneut, doch mit offensichtlichem Widerwillen. »Ach, sagen Sie das nicht, Miß Amy… es ist herrlich, einfach herrlich. Ein wirklich schöner Tag!«
    Amy Fremont erhob sich aus dem Schaukelstuhl und überquerte die Veranda. Sie war eine hochgewachsene, hagere Frau mit einem leeren Lächeln in den Augen. Vor ungefähr einem Jahr hatte Anthony sich fürchterlich über sie aufgeregt, weil sie zu ihm sagte, er hätte die Katze nicht in einen Katzenfellvorleger verwandeln sollen, und obwohl er immer mehr auf sie hörte als auf andere, das heißt, so gut wie gar nicht, gab er ihr diesmal Saures. Mit seiner geistigen Gewalt. Und damit war es aus gewesen mit Amy Fremonts glanzvollen Augen, das war das Ende von Amy Fremont gewesen, wie alle sie gekannt hatten. Und damals sprach sich auch in Peaksville (Bevölkerung: 46 Seelen) herum, daß nicht einmal Anthonys eigene Familienmitglieder sicher waren. Fortan ließ jeder doppelte Vorsicht walten.
    Eines Tages machte Anthony vielleicht rückgängig, was er mit Tante Amy angestellt hatte. Anthonys Mutter und sein Vater hofften darauf. Wenn er älter war, tat es ihm vielleicht leid. Falls sich dann noch etwas wiedergutmachen ließ. Denn Tante Amy hatte sich sehr verändert, und außerdem gehorchte Anthony seither niemandem mehr.
    »Frischauf, William, immer locker«, sagte Tante Amy, »Sie brauchen doch nicht so zu nuscheln. Anthony täte Ihnen nie etwas an. Mein Gott, Anthony mag Sie doch.« Sie hob ihre Stimme und rief Anthony, der nun der Ratte überdrüssig war und sie zwang, sich selbst aufzufressen. »Nicht wahr, mein Liebling? Du magst Mr. Soames doch?«
    Über den Rasen fiel Anthonys Blick auf den Kolonialwarenhändler – ein kluger, wäßriger, finsterer Blick. Er sagte nichts. Bill Soames versuchte zu lächeln. Einen Moment später widmete Anthony seine Aufmerksamkeit wieder der Ratte. Sie hatte bereits ihren Schwanz verzehrt, oder wenigstens abgenagt; Anthony ließ sie nämlich schneller beißen als sie schlingen konnte. Ringsum lagen kleine rosa und rote Fellfetzen im grünen Gras. Nunmehr hatte die Ratte große Schwierigkeiten dabei, ihre Hinterbacken zu
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