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Titan 16

Titan 16

Titel: Titan 16
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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Bargeld abfinden und leb dann von den Lizenzen.« Und dann erzählte er mir seine Geschichte, zuerst ganz langsam und dann immer schneller, bis er schließlich aufgeregt auf und ab ging. Ich denke, er war es einfach leid, niemanden zu haben, der ihm zuhörte.
    Sein Name war Miguel José Zapata Laviada. Ich sagte ihm den meinen; Lefko. Ed Lefko. Er war der Sohn von Zuckerrübenarbeitern, die irgendwann in den zwanziger Jahren aus Mexiko ausgewandert waren. Sie waren vernünftig genug, keine Schwierigkeiten zu machen, als ihr ältester Sohn die Felder von Michigan verließ, um die Chance wahrzunehmen, die ihm ein Stipendium der New York Academy bot. Als das Stipendium zu Ende war, hatte er in Garagen gearbeitet, Lastwagen gefahren, als Angestellter in Läden gearbeitet und als Klinkenputzer Bürsten verkauft, um leben und lernen zu können. Dann wurde seine Ausbildung von der Militärbehörde unterbrochen, er bekam einen Gestellungsbefehl, und man machte ihn zum Radartechniker. Dann war seine Dienstzeit um, und er nahm eine so nebulöse Idee mit, daß sie eigentlich nicht viel mehr als eine Ahnung war. Damals gab es reichlich Jobs, und es bedurfte eigentlich gar keiner großen Mühe, am Ende genug Geld zu haben, um sich einen Wohnwagen zu mieten und ihn mit Radios und Radargeräten aus überschüssigen Armeebeständen zu füllen. Vor einem Jahr war er mit dem, was er angefangen hatte, fertig geworden, unterernährt, mit Untergewicht und voll Erregung. Aber erfolgreich, weil er es geschafft hatte.
    ›Es‹ installierte er in einem alten Musikschrank, weil damit leicht umzugehen war und weil sich der Musikschrank als Tarnung anbot. Aus Gründen, die gleich offenkundig sein werden, wagte er es nicht, ein Patent anzumelden. Ich sah ›es‹ ziemlich gründlich an. Wo früher einmal der Plattenteller und die Einstellknöpfe des Radios gewesen waren, gab es jetzt eine Unzahl von Skalen und Potentiometern. Eine große Skala war von Ziffer 1 bis 24 eingeteilt, zwei von Ziffer 1 bis 60, und dann gab es ein rundes Dutzend mit den Ziffern 1 bis 25 sowie zwei oder drei ganz ohne Ziffern. Das Ganze sah wie eines dieser komischen Radio‐oder Motor‐Testgeräte aus, wie man sie manchmal in Kundendienststationen findet. Das war alles, ja, und noch eine dicke Sperrholzplatte, die das verbarg, was man anstelle des Radiochassis und des Lautsprechers eingebaut hatte. Das perfekte Versteck für…
    Tagträume sind etwas Schönes. Wahrscheinlich haben wir alle einmal in Gedanken von Reichtümern, Ruhm, großen Reisen oder sonstigen fantastischen Dingen geträumt. Aber in einem Stuhl zu sitzen und warmes Bier zu trinken und zu erkennen, daß der Traum aller Zeiten kein Traum mehr ist, sich wie ein Gott zu fühlen, zu wissen, daß man alles und jedes, was jemals geschehen ist – und zwar überall – , beobachten kann – das beunruhigt mich immer noch hin und wieder.
    Soviel ich weiß, es ist irgendeine Hochfrequenzgeschichte. Und da ist eine Menge Quecksilber und Kupfer und miteinander verdrahtete Metallstücke, aber was in dem Kasten vor sich geht oder wie und insbesondere weshalb, das übersteigt mein Verständnis. Licht hat Masse und Energie, und diese Masse verliert immer etwas und kann in Elektrizität zurückverwandelt werden oder so ähnlich. Mike Laviada selbst sagt, daß das, auf was er zufällig gestoßen ist und das er dann weiterentwickelt hat, eigentlich gar nichts Neues war, daß Männer wie Compton und Michelsen und Pfeiffer es schon vor dem Krieg häufig beobachtet, es aber als einen nutzlosen Nebeneffekt abgetan hatten. Und das war natürlich, ehe die Atomforschung vor allem anderen Priorität bekam.
    Als der erste Schock verging – und Mike mußte mir dazu eine weitere Demonstration liefern – , muß ich einen ziemlich seltsamen Eindruck gemacht haben. Mike sagt, ich hätte mich nicht mehr hinsetzen können. Ich sei aufgesprungen und sei in diesem alten Laden auf und ab galoppiert und hätte Stühle weggestoßen oder wäre über sie gestolpert und hätte die ganze Zeit Worte und zusammenhanglose Sätze hervorgestoßen, schneller als eine Zunge das zuwege brachte. Schließlich dämmerte mir, daß er über mich lachte. Ich verstand nicht, was es da zu lachen gab, und fragte ihn danach. Er begann ärgerlich zu werden.
    »Ich weiß, was ich habe«, herrschte er mich an. »Ich bin nicht der größte Narr auf der ganzen Welt, wie Sie anscheinend glauben. Hier, sehen Sie das an«, und damit trat er wieder vor das Radio.
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