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Titan 16

Titan 16

Titel: Titan 16
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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Experimental‐Labor. Als ich aus Rochester zurückkam, übernahm ich es, die Steinmetze und Elektriker bei Laune zu halten, während Mike sich in unserer Suite im Book‐Cadillac betätigte, wo er durchs Fenster auf seinen alten Laden hinausblicken konnte. Angeblich verkauften die dort jetzt Schlangenöl. Als das ›Studio‹, wie wir es nannten, fertig war, zog Mike ein, und die blonde Sekretärin gewöhnte sich an, Liebesromane zu lesen und allen Vertretern, die vorbeikamen, zu sagen: nein, wir brauchen nichts. Ich flog nach Hollywood.
    Ich verbrachte eine Woche damit, in den Schauspieler‐Karteien herumzustöbern, bis ich hatte, was ich brauchte, und einen weiteren Monat, bis ich eine Kamera mieten konnte, die für Trucolor‐Film geeignet war. Damit war das schwierigste Problem gelöst. Als ich nach Detroit zurückkam, war auch die große Plattenkamera aus Rochester mit einer Wagenladung von Colorplatten da. Alles bereit.
    Wir machten eine große Zeremonie daraus. Wir schlossen die Läden, und ich ließ den Korken einer der Champagnerflaschen, die ich gekauft hatte, knallen. Die blonde Sekretärin war sehr beeindruckt; alles, was sie bisher für ihr Gehalt hatte tun müssen, war, Pakete, Kisten und Schachteln in Empfang zu nehmen. Wir hatten keine Weingläser, aber das störte uns nicht. Zu nervös und aufgeregt, um mehr als eine Flasche zu trinken, gaben wir den Rest der Blondine und sagten ihr, sie könne sich den Nachmittag frei nehmen. Nachdem sie gegangen war – und ich glaube, sie war etwas enttäuscht, weil sie sich von der Party mehr versprochen hatte – , schlossen wir hinter ihr ab und gingen in das eigentliche Studio, versperrten auch dort die Türen und machten uns an die Arbeit.
    Ich erwähnte schon, daß die Fenster verdunkelt waren. Die Innenwand war in stumpfem Schwarz gestrichen, und das Ganze war angesichts der hohen Decke, die die alte Bankhalle hatte, sehr eindrucksvoll. Aber keineswegs düster. Mitten im Studio stand die große Trucolor‐Kamera, schußbereit und startfertig. Von Mikes Maschine war nicht viel zu sehen. Aber ich wußte, daß sie an einer Seitenwand stand, so daß das Bild an der hinteren Wand entstehen würde. Nicht au f de r Wand natürlich, weil die produzierten Bilder in die Luft projiziert werden, so wie wenn sich die Bündel zweier Scheinwerfer treffen. Mike hob den Deckel, und ich konnte seine Silhouette vor den winzigen Lichtern sehen, die die Skalen beleuchten.
    »Nun?« sagte er erwartungsvoll.
    Ich fühlte mich ziemlich wohl, bis hinunter zu der Geldbörse, die in meiner Hosentasche steckte.
    »Jetzt bist du dran, Mike«, und ein Schalter klickte. Da war er, ein junger Mann, tot seit zweitausendfünfhundert Jahren, ganz real, fast hätte man ihn berühren können. Alexander. Alexander von Mazedonien.
    Vielleicht interessieren ein paar Einzelheiten zu jenem ersten Film. Ich glaube nicht, daß ich je vergessen werde, was in den nächsten zwölf Monaten geschah. Zuerst folgten wir Alexander durch sein ganzes Leben, vom Anfang bis zum Ende. Die nebensächlichen Dinge, die er tat, übersprangen wir natürlich, sprangen jeweils Tage, manchmal Wochen und einige Male sogar Jahre in die Zukunft. Dann verloren wir ihn oder stellten fest, daß er sich räumlich bewegt hatte. Das bedeutete, daß wir vor und zurück springen mußten, bis wir ihn wieder fanden; wie Artillerie, wenn sie sich auf ein Ziel einschießt. Das, was über ihn geschrieben worden war, half uns nur gelegentlich, und wir staunten immer wieder, wie verzerrt sein Leben doch dargestellt war.
    Ich frage mich oft, warum sich um berühmte Leute solche Legenden entwickeln. Schließlich ist ihr Leben genauso erregend oder abstoßend wie das, was Schriftsteller erfinden. Und unglücklicherweise mußten wie uns ziemlich eng an geschichtlich akzeptierte Fakten halten. Wenn nicht, hätte sich wahrscheinlich jeder Geschichtsprofessor in seine Ecke zurückgezogen und uns ausgelacht. Das Risiko konnten wir nicht eingehen. Wenigstens anfänglich nicht.
    Nachdem wir etwa wußten, was wann geschehen war, sahen wir in unseren Notizen nach, um uns eine besonders fotogene Szene herauszupicken und eine Weile an ihr zu arbeiten. Am Ende hatten wir eine ziemlich gute Vorstellung, was wir tatsächlich wählen würden. Dann setzten wir uns hin und schrieben ein richtiges Drehbuch und ließen dafür Raum für die Aufnahmen, die wir später doubeln wollten. Mike benutzte seine Maschine als Projektor, und ich bediente die
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