Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 10

Titan 10

Titel: Titan 10
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
tragen sollen, sie begreifen es ja doch nicht. Schließlich läßt der Schild des Hauptkonverters ja nur ein zehntel Prozent der Strahlung durch. Irgendwie hat dieser Kerl es geschafft, seine zwei inneren Schutzschichten nicht anzulegen und hat sich nun innerhalb von sechs Stunden die Verbrennungen zugezogen, die man sonst innerhalb eines Jahres bekommt. Wahrscheinlich ist er jetzt wieder am Reaktor Nummer x und betet immer noch alle Anweisungen herunter, die ich ihm mit auf den Weg gegeben habe, damit er nicht gefeuert wird.«
    Nummer x war der erste Konverter, mit dem die National Atomic ihre Monopolstellung bei künstlicher Atomanreicherung errichtet hatte, damals, als die Schilder noch zu einem Tausendstel durchlässig waren und das Brennmaterial nicht so hart strahlte wie bei modernen Reaktoren. Der Projektor wurde auch heute noch für weichere Anreicherungsprozesse benutzt; schließlich hatte er ja genug gekostet. Dennoch war bei vernünftigen Sicherheitsmaßnahmen nicht mit ernsthaften Schäden zu rechnen.
    »Ein zehntel Prozent ist tödlich; fünf Prozent davon sind zwei Hundertstel; fünf Prozent davon ist ein Viertausendstel. Und davon noch einmal fünf Prozent ist ein Achtzigtausendstel, völlig ungefährlich.« Blake leierte die Litanei leise herunter und kicherte dann. »Sie werden alt, Doc. Früher waren Sie mit einem Tausendstel zufrieden. Na, wenn Sie doch noch eine Möglichkeit sehen, schauen Sie und Mrs. Ferrel ruhig noch vorbei, von mir aus nach Mitternacht. Anna wird zwar enttäuscht sein, aber sie sollte eigentlich wissen, welche Nachteile unser Beruf mit sich bringt. Bis dann!«
    »Gute Nacht.« Ferrel sah ihm lächelnd nach. Eines Tages würde sein eigener Sohn die Akademie als Mediziner verlassen, und Blake war ein guter Chef, unter dem man anfangen und sich hocharbeiten konnte. Zuerst würde er, wie nun der junge Jenkins, nur für seine Mission im Dienste der Menschheit leben. Aber irgendwie würde es weitergehen, bis er schließlich Blakes Stelle und dann wahrscheinlich die, die er selbst nun innehatte, einnehmen würde, und die gleichen alten Probleme auf die gleiche alte Art und Weise lösen und sich schließlich mit dem Leben der bequemen Stumpfsinnigkeit eines gereiften Menschen zufriedengeben.
    Sicher gab es Schlimmeres, wenngleich es auch nicht direkt so kommen mußte wie in der Fernsehserie um Dr. Hoozis, die gerade ausgestrahlt wurde. Dieser Fernsehheld mußte sich ständig mit einem Heer von Mördern, Entführern und mit unerklärlichen Naturkatastrophen herumschlagen und, wenn er sich recht entsann, arbeitete er gerade in einer Fabrik, in der atomare Produkte hergestellt wurden. Dort allerdings waren die Konverter mit glänzenden Chromplatten abgedeckt und mit hübsch flackernden Neonröhren ausgestattet und gingen jeden zweiten Tag hoch. Dann brachte man die Männer in die Praxis, und sie waren ganz in blaue Flammen gehüllt und wurden sofort geheilt, indem Dr. Hoozis ein paar Zauberwörter aussprach, so daß er danach noch genug Zeit hatte, um eigenhändig die atomaren Flammen zu löschen. Ferrel knurrte verächtlich und griff wieder nach seiner zerlesenen Ausgabe des Dekameron .
    Bald darauf hörte er Jenkins draußen in der Chirurgie mit schnellen, nervösen kleinen Schritten herumgehen. Er durfte sich von dem Jungen nicht hier herumbummelnd finden lassen, da ja schließlich das Schicksal der Welt möglicherweise von ihm allein abhing. Man mußte die jungen Ärzte langsam ihrer Illusionen berauben, oder sie wurden verbittert, und dann litt ihre Arbeit darunter. Trotz des leisen Spotts, den er bei Jenkins’ Aufgeregtheit empfand, konnte er nicht umhin, sich die straffen Schultern und den flachen Bauch des schmalgesichtigen jungen Mannes vorzustellen. Die Jahre rasten eben einfach vorbei, ohne daß man es wirklich bemerkte.
    Jenkins strich wichtigtuerisch eine Falte seines weißen Kittels glatt und blickte auf. »Ich habe die Chirurgie für eine Notaufnahme bereit gemacht, Dr. Ferrel. Glauben Sie, daß es genug ist, wenn nur Miß Dodd und ein Krankenwärter bei uns bleiben? Laut Dienstvorschrift wäre das unser Minimum an Personal.«
    »Die Dodd ist allein schon eine ganze Belegschaft wert«, versicherte Ferrel ihm. »Erwarten Sie denn heute abend irgendwelche Unfälle?«
    »Nein, Sir, das gerade nicht. Aber wissen Sie eigentlich, was in den Reaktoren hergestellt wird?«
    »Nein.« Ferrel hatte Palmer nicht danach gefragt; schon seit langem war ihm klar, daß er mit der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher