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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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schlechte?«
    Der Arzt erhob sich, knöpfte seinen Kittel auf und machte eine Lichttafel an, auf der mehrere Röntgenbilder befestigt waren. »Das sind die Knochen, die ihr mir gegeben habt«, sagte er und zeigte auf eines der Röntgenbilder.
    »Und das ist der Schädel, nicht wahr?« Morgado zeigte auf ein anderes Bild.
    »So ist es. Alle weisen eine Verseuchung durch ein radioaktives Plutoniumderivat auf.«
    »Der Verstorbene war Radioaktivität ausgesetzt?«
    »Ja. Ein paar Tage, wenn nicht gar für Wochen.«
    »Wie das?«
    »Ich weiß es nicht. Plutonium ist keine natürliche Quelle wie Radium. Er muss sich in der Nähe einer Lagerstelle für radioaktives Material aufgehalten haben. Keine große Menge, denn die Knochenveränderung ist minimal.«
    »Ist er daran gestorben?«, wollte Lucy wissen.
    »Nein, aber der Kontakt hat den Prozess seines physischen Verfalls beschleunigt«, erwiderte der Arzt.
    »Und die Patronenhülsen?«, fragte Morgado. »Und die Ein- und Austrittslöcher im Schädel?«
    »Die wurden ihm nach dem Tod beigebracht.«
    »Sind die Knochen immer noch radioaktiv?«, wollte Elena wissen.
    »Aber natürlich!«, bejahte der Arzt vehement. »Und das werden sie auch noch weitere zehntausend Jahre bleiben, wenn sie so lange durchhalten. Aber ich möchte noch einmal betonen, die Radioaktivität ist gering. Ich habe es zufällig entdeckt, als ich das Licht ausmachte und sie ganz leicht leuchten sah. Als Radiologe habe ich einen Geigerzähler, damit ich weiß, wie viele Aufnahmen ich pro Tag machen kann. Deswegen war ich so erschrocken und besorgt um eure Gesundheit. Aber wir haben schon ermittelt, dass es sich nur um Restradioaktivität im niederen Bereich handelt. Und ihr wart ihr nicht mehr als vielleicht zwei Stunden ausgesetzt.«
    Morgado tat der Arm gleich weniger weh, als er die guten Nachrichten hörte. Er war gesund. Gesund und munter, das war das Entscheidende. Aber da waren noch ein paar offene Fragen. »Doc, Sie sagten, Sie wüssten, wer der Verstorbene war, richtig?«
    Der Arzt kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und reichte ihm eine grüne Akte mit dem Siegel der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, Abteilung Gesundheit und Seuchen.
    »Hier ist die gesamte Information. Es ist nicht viel, aber es reicht aus.«
    Morgado entfernte das Band, das die Akte zusammenhielt. Als er sie aufschlug, stieß er auf das Schwarzweißfoto von Servando Islas. Ein Mann reiferen Alters mit einer kleinen Bartspitze, der dem auf dem Bild von García Benavides sehr ähnlich sah.
    Für den Anwalt der Menschenrechte war das Schlimmste nicht der Gedanke an Islas’ Tod, sondern die Tatsache, dass das Foto im Januar 1956 aufgenommen worden war. Und nicht von einem Lebenden, sondern von einer Leiche, die kein Anzeichen von Schüssen aufwies.
     
20
     
    »Wie seid ihr auf den Gedanken gekommen, sie einfach so verschwinden zu lassen?«
    Die Bar war fast leer. Die Gäste des Hotels hatten sich noch nicht blicken lassen. Oder sie hatten etwas Besseres gefunden, um sich zu amüsieren. Der Kellner erklärte, ›richtig abgehen‹ werde es erst ab Mitternacht, nicht früher. Was Morgado irritierte.
    Harry überhörte die Bemerkung und betrachtete die bläuliche Beleuchtung des Swimmingpools. »Das erinnert mich an Las Vegas.«
    Morgado verschluckte sich fast vor Lachen. »Ja. Aber nachdem du den letzten Dollar im Kasino verspielt hast.«
    Morgados Antwort rührte den Gringo nicht. »Ich weiß nicht, wie ich mich von dir habe überreden lassen können, in dieses Scheißkaff zu kommen.«
    »Du magst Mexicali«, stichelte der Anwalt. »Sosehr du auch einen auf Chilischote in Washington, auf Bürokrat in Sacramento oder verdeckter Ermittler in El Paso machst, das ist dein Zuhause.«
    »Mein Zuhause ist da, wo ich lebe.«
    »Dein Zuhause ist Calexico und Mexicali, eine Stadt mit zwei verschiedenen Namen.«
    Harry hob das leere Glas hoch und bestellte noch einen.
    »Komm schon, Mister Secrets, warum habt ihr 1956 den Arzt und plastischen Chirurgen Servando Islas verschwinden lassen?«
    Harry lächelte, als der Kellner mit dem neuen Whisky kam. »Weil er eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit war. Die Information steht in den Akten, die ich dir gegeben habe.«
    Morgado schüttelte den Kopf. »Davon steht nichts drin.«
    »Da stehen nicht die richtigen Namen, aber du kannst das Verfahren sehen, das sich bei der mexikanischen Polizei des Bundesstaates eingebürgert hat.«
    »Warte mal. Willst du mir sagen, ihr habt die
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