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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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die für Gott und den Teufel arbeiteten, die in diesem Fall ein und derselbe waren.
    Alle heizten die Paranoia an: Eine rote Invasion in kleinen Gruppen von Süden nach Norden. Eine kommunistische Verschwörung, die die Seele der Nation untergräbt. Billige Rhetorik auf beiden Seiten. Genau diese Angst ermöglichte es ihnen, als Denunzianten abzukassieren. Mexicali war nur selten erwähnt, aber immerhin, es tauchte auf. Unruhen, Gespräche unter Politikern, Gerüchte über Gerüchte. Nichts Handfestes.
    In einem Dokument war Edmundo Burruel erwähnt: ein Agent der CIA, der die Kommunistische Partei in Mexico City ausspionierte und sich mit den für antiamerikanische Aktivitäten zuständigen Agenten des KGB gut verstand. Wegen seiner Einsätze passierte er oft die Grenze. Seine letzte Mission führte ihn nach Nogales, Sonora, und dann in das Gebiet Calexico-Mexicali. Dann waren drei Absätze gestrichen, am Ende der Status: »Ungelöst. Ermittlung nicht abgeschlossen.«
    Morgado brachte dieser Unsinn in Rage. Er warf das ganze Päckchen an die Wand. Er stand wieder am Anfang, trotz seiner Bemühungen war er keinen Schritt weitergekommen, und er war mehr wütend auf sich selbst als auf die CIA und ihre Spionagespiele.
    Er hatte geglaubt, man könne die Vergangenheit ausgraben, sie ans Licht holen, aber es war, als trete man in ein Bild von García Benavides, in dem nichts real war. Die Dokumente, die er in der Hand hatte, waren ein Rauchschleier. Eine Täuschung. In dem Moment klingelte das Telefon. Morgado ging, immer noch zornig, dran.
    Es war Harry Dávalos, der FBI-Agent, sein Fast-Freund und Fast-Feind. »Ich warte an der Bar auf dich.«
    »In welcher?«
    »Hier in deinem Hotel. Beeil dich. Ich hab nicht viel Zeit.«
    Morgados Wut war sofort verflogen. Er lief die Treppen hinunter. An der Bar sah er die unverwechselbare Gestalt von Dávalos.
    »Hat es was gebracht, was ich dir geschickt habe?«
    »Natürlich nicht. Die Papiere sind zensiert.«
    Harry übergab ihm ein weiteres Päckchen. »Die nicht.«

16
     
    Abends las Morgado die Dokumente der CIA und vertiefte sich ganz in das Schattenspiel. Namen jedweder ideologischer Couleur tauchten auf. Einschlägige Persönlichkeiten, Politiker, Gewerkschaftsführer, Arbeiter- und Arbeitnehmerverbände, alle waren ganz genau durchgecheckt und nach amerikanischen Interessen katalogisiert worden, nach ihrer Nähe oder Ferne zum Kommunismus.
    In dem unzensierten Dokument hieß es: »Verfolgung des Agenten in Tucson, Arizona, ab dem zufälligen Kontakt mit dem Angestellten des Paketdienstes. Einfacher Händedruck. Er stieg in seinen Wagen und fuhr zurück nach Kalifornien. Es vergingen fünf Stunden, bis die Fluchtmeldung kam. Wenn die Kontrolleure früher informiert worden wären, wäre der Agent in Yuma verhaftet worden. Man hat versucht, die Grenze zu schließen. Schusswechsel.
    Man musste die mexikanische Polizei dahingehend informieren, es handle sich um einen Bankräuber und er habe drei Gesetzeshüter getötet. Sie verhafteten ihn in einer Privatklinik und lieferten ihn zusammengeschlagen, schwer verletzt und komatös an uns aus.
    Der Agent starb zwei Tage später. Er ist nicht mehr aus dem Koma aufgewacht, und es wurden keine belastenden Dokumente und keinerlei Päckchen gefunden. Status des Falles: Ungelöst. Ermittlung nicht abgeschlossen.«
    Morgado war müde. Es war schon nach zwei Uhr morgens, und er hatte immer noch keine Spur. So viele Papiere er auch las, so viele Dokumente er auch überprüfte, der Fall des in der Laguna Salada gefundenen Skeletts war, wie die Gringos schon vor einem halben Jahrhundert angemerkt hatten, ungelöst.
    Er zappte durch die Fernsehsender, um sich ein wenig abzulenken: nur Wetterberichte, Spielfilme, die er jetzt nicht anschauen wollte, und Dokumentarfilme. Er verspürte leichte Kopfschmerzen, stand auf und zog die Schublade auf, wo er ein Röhrchen mit Schmerztabletten wähnte.
    Anstelle der Tabletten fiel ihm das Buch des Malers García Benavides in die Hände. Er begann aufmerksam darin zu blättern, die Kopfschmerzen waren vergessen.
    Im Prolog wurde erwähnt, dass Rubén García Benavides, geboren in Jalisco, 1953 als Fünfzehnjähiger nach Mexicali gekommen war und Gründungsschüler der ersten Kunstschule der Hauptstadt von Baja California war. Dann kamen eine Reihe traditionell gemalter Porträts. Das waren nicht mehr als Fingerübungen, Aufträge von hochrangigen Persönlichkeiten, die ihr Porträt im Wohnzimmer hängen
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