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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Wüstengebietes von La Laguna Salada. Seine Schlussfolgerungen waren pessimistisch. Die Anzahl der Opfer würde steigen, wenn nicht bald wirklich effektive Präventions- und Schutzmaßnahmen ergriffen würden. Und dafür war die Kooperation zwischen der Einwanderungsbehörde des nördlichen Nachbarn und der mexikanischen Regierung auf allen Ebenen unerlässlich. Mit anderen Worten: Ohne guten Willen von beiden Seiten konnte niemand sich für die Migranten einsetzen.
    Später dachte er über die Spionagegeschichte nach. Wenn die amerikanischen Behörden auf Edmundo Burruel geschossen hatten, dann konnte das nur bedeuten, dass dieser irgendeine Information hatte, von der die Gringos nicht wollten, dass sie in die Hände der anderen Seite geriet. Und die andere Seite, das waren die Kommunisten, die den Befehlen Moskaus unterstellt waren. Sie hassten die Vereinigten Staaten so sehr, dass sie bei ihren Spielchen, Geheimnisse im Dienste der Sache zu übermitteln, alles riskierten. Zwei Blinde, die sich im Namen des Sozialismus, im Namen der Demokratie prügelten.
    Morgado überlegte nicht lange. Er ließ eine Verbindung nach San Diego herstellen. Wenig später war der Anrufbeantworter von Harry Dávalos dran, seinem Kontaktmann beim FBI. » You’re calling five, four, four, one, seven, six, five. Leave your message. «
    »Harry. Hier ist dein alter Freund Miguel Ángel Morgado. Wie du dir denken kannst, möchte ich dich um einen dringenden Gefallen bitten. Ich bin im Hotel Lucerna in Mexicali. 657-18-24. Viele Grüße.« Er legte auf, bevor das Signal am Ende der Aufnahme ertönte.
    Morgado ging noch einmal die Listen durch und kam zu dem Schluss, dass es sich bei allen Zwischenfällen an der Grenze um Einzeltäter handelte, die allein aggressive, gewalttätige oder vandalische Akte verübt hatten. Zumindest sah es so aus. Die einzige Ausnahme war eine Klage von Chong Wan, Besitzer eines chinesischen Restaurants, gegen amerikanische Soldaten an einem Wochenende. Betrunken hatten sie einen Großteil seines Lokals verwüstet, weil sie die Rechnung nicht zahlen wollten oder kein Geld hatten. Dann waren sie unter Gelächter und den Wirt und das Personal verspottend über die nur zwanzig Meter entfernte Grenze abgehauen. Das Ergebnis: vertagt. Im Klartext: alles für die Gringos, die Chinesen gehen leer aus.
    Eine Stunde später klingelte das Telefon. »Ja?«
    »Miguel Ángel?«
    »Harry! Von wo rufst du an?«
    »Aus Palm Desert.«
    »Wo ist das?«
    »Wer weiß? Was brauchst du, Morgado? Womit kann ich dienen?«
    Der Rechtsanwalt fasste den Fall kurz zusammen.
    »Dann bist du jetzt unter die Knochendiebe gegangen. Wie tief bist du gesunken.«
    »Und ich habe diese Grenzgeschichte aus dem Jahr 1955 oder 1956 aufgetan.«
    »Und du brauchst Informationen. Liege ich richtig?«
    »Liegst du. So wie ich es verstanden habe, gibt es eine Akte mit vertraulichen Dokumenten der amerikanischen Regierung. Darunter welche von der CIA und vom FBI.«
    »Eher CIA. Und nur bestimmte Archive, die für noch lebende Personen nicht kompromittierend sind.«
    »Könntest du …?«
    »Sie auf meinen Namen anfordern?«
    »Ja. So schnell wie möglich.«
    »Von 1955 bis wann?«
    »Bis 1965.«
    »Das ist viel Information.«
    »Du kannst in den Computer nur die Namen eingeben, die ich erwähnt habe. Zusätzlich noch Mexicali und Laguna Salada. Man kann die Liste von Dokumenten auf ein vernünftiges Maß reduzieren.«
    Harry Dávalos’ Stimme klang nicht sehr begeistert. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Noch etwas?«
    »Finde heraus, ob es einen Ring von Spionen gab, der in den Fünfzigerjahren in Mexicali tätig war.«
    Harry lachte. »Dein Dorf war damals ein winziges Nest.«
    »Ich weiß. Aber ich glaube, da liegt die Lösung.«
    »Ich rufe dich an, Miguel Ángel.« Damit legte der FBI-Agent auf, ohne sich zu verabschieden.
    Die nächsten vier Tage kümmerte Morgado sich um seine übliche Arbeit. Er ging nur zum Schlafen ins Hotel.
    Am fünften Tag klopfte morgens jemand an seine Tür. Es war wieder der Junge von der Rezeption. »Ein Paket für Sie.«
    Amerikanische Briefmarken. Plastikumschlag. Er brauchte fünfzehn Minuten, um ihn aufzubekommen und den Inhalt zu entnehmen: zweihundert Seiten vertrauliches Material.
    Bei dem größten Teil der Dokumente waren ganze Zeilen oder sogar Absätze geschwärzt, aber man konnte sie trotzdem lesen und verstehen: Es handelte sich um Berichte über Doppelagenten an der Grenze. Mexikaner und Amerikaner,
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