Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch
Autoren: Stefanie de Velasco
Vom Netzwerk:
nicht antwortet, da zerrt Jameelah ihre Hände hinterm Rücken hervor, packt sie an den Handgelenken und drückt sie gegen die Klowand.
    Lass mich los, schreit Anna-Lena, du tust mir weh.
    Halts Maul, schreit Jameelah und drückt noch fester zu, du schaust mir jetzt in die Augen, hörst du, du schaust mir jetzt in die Augen und sagst, dass es nicht so ist, wie ich denke!
    Was ist hier eigentlich los, frage ich mich, Islam wird Weltmeister steht neben Anna-Lena an der Klowand, darunter Männer sind wie Toiletten entweder besetzt oder beschissen, Kuck mal da Nutella, Scheiß die Wand an, Toilettentennis schauen sie nach links, Toilettentennis schauen sie nach rechts, Toilettentennis schauen sie nach links, und beim Toilettentennis, da kapiere ich plötzlich, was Sache ist, von wegen Italien und Anna-Lena und Lukas.
    O nein, flüstere ich.
    Langsam löst Jameelah ihre Hände von Anna-Lenas Handgelenken und lässt sich auf die Klobrille sinken. Anna-Lena hockt sich an die Klotür und verbirgt das Gesicht in ihren Händen, dabei fällt der Schwangerschaftstest, der hinten in ihrer Hose gesteckt hat, auf den Boden. Ich schaue auf das Anzeigefeld, da sind zwei Streifen, zwei rosa Streifen gleich nebeneinander. So sieht das Leben also aus, ganz am Anfang, wenn es eigentlich noch unsichtbar ist.
    Jameelah bückt sich, hebt den Test auf und betrachtet ihn, als wäre es ihrer, dann lässt sie ihn auf den Boden fallen. Sie legt ihre Hände nebeneinander in den Schoß, die liegen da wie zwei, die miteinander Schluss gemacht haben, ohne dass sie es wirklich wollten.
    Gib mir mal einer Klopapier bitte, sagt Anna-Lena und steht langsam auf.
    Klopapier, sage ich und schaue sie von oben bis unten an, deine Mutter Klopapier! Du hast mit deinem eigenen Cousin gepennt, Mann, wenn das mal nicht so richtig Mittelalter ist, sage ich, aber uns immer blöd kommen, lieb dich, mein Engel auf unsere Rucksäcke schreiben und es überhaupt nicht so meinen, wenn das mal nicht total ekelhaft ist, sage ich, tausendmal ekelhafter als Mitesser und Spinnen und Herpes zusammen.
    Mit einem langen heulenden Laut lässt Anna-Lena sich zurück auf den Boden sinken.
    Und hör endlich mal auf zu heulen, sage ich, aber das Heulen wird nur noch lauter.
    Anna-Lena, sagt Jameelah.
    Ach komm, sage ich, lass sie doch.
    Anna-Lena, sagt Jameelah und schüttelt sie, Anna-Lena, sagt sie wieder und schüttelt sie noch kräftiger, aber Anna-Lena heult nur noch lauter und lauter.
    Wenn jetzt einer reinkommt, sind wir so was von dran, sage ich.
    Gib ihr eine, sagt Jameelah.
    Was?
    Du sollst ihr eine geben. So wie mir letztens auf der Straße.
    Echt?
    Ja, echt, sagt Jameelah, los mach.
    Gern, sage ich und balle eine Faust.
    Nein, sagt Jameelah, nimm die flache Hand.
    Warum das denn?
    Weil du einen ganz schönen Schlag draufhast.
    Tut mir leid, wegen neulich, überhaupt tut mir alles so leid, sage ich.
    Jetzt halt die Klappe, sagt Jameelah, und gib ihr endlich eine.
    Alles klar, sage ich, und im nächsten Moment hat Anna-Lena eine hängen.
    Mit einem Schlag hört das Geknatsche auf.
    Sag mal, spinnt ihr eigentlich total, schreit Anna-Lena.
    Jetzt hör endlich auf, dich so anzustellen, sagt Jameelah, jeden Moment kann jemand reinkommen, dann kannst du dem Hausmeister erklären, was mit dir los ist.
    Sie packt Anna-Lena am Oberkörper und versucht, sie nach oben zu ziehen.
    Los, hilf mir!
    Gemeinsam zerren wir Anna-Lena rüber zum Waschbecken. Jameelah reißt einen Haufen Papiertücher aus dem Automaten, hält sie unter den Wasserhahn und reicht sie ihr.
    Hier, mach dein Gesicht sauber.
    Gehorsam wischt Anna-Lena sich das Gesicht ab.
    Was soll ich jetzt nur machen, fragt sie leise.
    Du musst zum Arzt, sage ich, dann musst du drei Tage abwarten, und dann kannst du es wegmachen lassen.
    Nein, sagt Jameelah, sie muss mit ihren Eltern reden.
    Nein, sage ich, muss sie nicht, das ist Schweigepflicht.
    Jameelah verdreht die Augen.
    Mann, ist es nicht, sagt sie, wenn du noch keine sechzehn bist, dann kannst du das nicht einfach so machen, dann müssen deine Eltern unterschreiben, wieso bin ich schon wieder die Einzige, die so was weiß? Bumsen kann ja wohl jeder, aber wieso könnt ihr kein Gummi benutzen, wieso?
    Ich schaue auf den Boden. Woher sie das wohl schon wieder weiß, frage ich mich, aber dass ich bei Nico auch kein Gummi benutzt habe, das kann sie zum Glück gar nicht wissen, trotzdem, denke ich, ich werde nie wieder ohne Gummi mit wem pennen, und gleich nächste Woche lasse
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher