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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch
Autoren: Stefanie de Velasco
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schon eine hängen.
    Weißt du, wie spät es ist, schreit sie, du sollst dich nicht so herumtreiben, wie oft soll ich dir das noch sagen!
    Ich ducke mich schnell weg.
    Erste, zweite Stunde fallen morgen aus, sage ich.
    Ist mir vollkommen egal, schreit Mama, nach allem, was passiert ist. Wir machen uns Sorgen.
    Rainer kommt dazu.
    Wenn es dunkel ist, bist du zu Hause, das war so abgemacht, sagt er, und solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, hältst du dich auch daran.
    Ich schaue ihn von oben bis unten an. Wie er da steht, in seinem speckigen Blaumann, den er zu Hause trägt, wie andere Leute ihren Bademantel, die dünnen blondgrauen Haare hinten zu einem Pferdeschwänzchen gebunden. Ich muss an seine Pornosammlung unter den Dielen denken, daran, wie gern er sich beim Fernsehen an den Füßen rumpiepelt, dass das für ihn zu Hause sein bedeutet, genauso, wie wenn er sich nach dem Scheißen das Klopapier anschaut, mit dem er abgeputzt hat, ganz ehrlich, was will man denn mit so einem noch reden. Ohne ein Wort zu sagen, drehe ich mich um und gehe in mein Zimmer. Ich ziehe mich aus, mache das Fenster auf, lasse die Beine vom Fensterbrett hängen und rauche eine.
    Leise klopft es an der Tür.
    Nini, flüstert Jessi, an ihrer Stimme kann ich hören, dass sie weint.
    Ich wollte nur kurz aufs Klo, dann ist es passiert, sagt Jessi und zeigt auf einen Blutfleck in ihrer Unterhose. Ich schnippe die Kippe nach draußen und klettere vom Fensterbrett runter.
    Komm her, sage ich und ziehe sie aufs Bett, das ist doch nicht so schlimm, hast du Schmerzen?
    Jessi schüttelt den Kopf.
    Nein, aber Rainer darf das nicht mitkriegen, er hat gesagt, wenn ich meine Tage kriege, bekomme ich einen weißen Pullover geschenkt und Tomatensuppe zu essen, so macht man das, so feiert man das, da, wo er herkommt. Ich will das nicht, ich mag keine Tomatensuppe, ich hasse Tomaten.
    Komm mit, sage ich und nehme sie an der Hand.
    Leise schleichen wir uns ins Badezimmer. Ich krame im Regal herum.
    Hier, sage ich und reiche ihr einen Tampon, stell das eine Bein auf den Klodeckel, so, dann schiebst du ihn dir rein.
    Ich hab Angst, sagt Jessi.
    Brauchst du nicht, geht voll leicht.
    Nein, ich hab Angst vor diesem Schock, den man kriegen kann.
    Was für ein Schock?
    Den vom Tampon. Davon hat Pepi in der Schule erzählt, er sagt, dass man von Tampons sterben kann. Man kriegt einen Schock, und dann ist man weg vom Fenster. Das steht wohl in jeder Bedienungsanleitung drin, in jeder Packung.
    Du kriegst keinen Tamponschock, das werde ich ja wohl besser wissen als der Pepi.
    Sicher?
    Sicher. Du schläfst heute bei mir, und ich passe genau auf.
    Na gut, sagt Jessi und zieht sich ihre Unterhose runter, einfach reinschieben, ja?
    Ja, sage ich, einfach reinschieben.
    Geht echt voll leicht, sagt Jessi und schaut mich überrascht an.
    Siehst du. Später wird es noch einfacher, irgendwann kannst du dir sogar an der Bahnhalte oder im Unterricht einen Tampon reinschieben, ohne dass jemand was merkt. Ist alles Übungssache. Und Rainer braucht gar nichts davon zu wissen, das geht den einen Dreck an, hörst du.
    Jessi nickt, sie zieht sich ihre Unterhose wieder an und setzt sich auf den Klodeckel.
    Weißt du noch früher, sage ich, da wolltest du nicht zu Mama ins Bett, wenn sie ihre Tage hatte.
    Ich weiß. Ich hab mich vor den braunen Flecken auf ihren Nachthemden geekelt, sagt Jessi und verrenkt ihren Zeigefinger in Richtung Tampon, warum spürt man den nicht?
    Keine Ahnung, das ist einfach so, das ist normal.
    Finde ich gut.
    Ja. Ich auch.
    Ich hab Hunger, sagt Jessi.
    Es gibt nichts, sage ich.
    Doch, sagt sie, im Kühlschrank steht ein Teller, da steht drauf Für Nini von Noura, Eid Mubarak. Hast du auch Hunger?
    Ich schüttle den Kopf.
    Hol dir den Teller, sage ich, aber leise, ich muss noch mal weg.
    Was, wenn ich den Tamponschock kriege?
    Kriegst du nicht. Leg dich in mein Bett, ich bin nicht lange weg.
    Ich gehe zurück in mein Zimmer, ich sammle die Klamotten vom Boden und schaue auf den Teppich, in einer Ecke glitzert was, aber es ist nicht das, was ich suche. Ich reiße alle Schubladen auf, mein Schmuckkästchen, ich durchwühle meine Jacken- und Hosentaschen, ich krieche auf allen vieren unter den Schreibtisch und danach unters Bett, da fällt mir plötzlich was ein. Leise nehme ich den Kellerschlüssel aus der Schublade im Flur und gehe runter in den Keller. Mit meinem Handy leuchte ich den Verschlag nach dem Koffer ab. In dem kleinen Fach vorn drin
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