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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Autoren: Donna Leon
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gelassen wie der Verteidiger, der die Gepäckabfertiger beim letzten Mal vor Gericht vertreten hatte. »Womöglich hat er im Lotto gewonnen oder seine Frau. Womöglich hat er das Geld von irgendwelchen Angehörigen geliehen. Womöglich hat er es auf der Straße gefunden.«
    »Aber Sie wissen doch, dass dem nicht so ist«, wandte Pucetti ein. »Sie wissen, was er macht, was diese ganze Bande macht.«
    »Was ich weiß und was ein Kläger vor Gericht beweisen kann, sind zwei ganz verschiedene Dinge, Pucetti«, sagte Brunetti mit leichtem Tadel in der Stimme. »Und ich rate Ihnen dringend, das nicht außer Acht zu lassen.« Er sah den jungen Mann zum Protest anheben und hob die Stimme. »Des Weiteren sollten Sie so schnell und so gründlich wie möglich alle Spuren verwischen, die Sie bei Ihren Recherchen zu Signor Buffaldis Finanzen hinterlassen haben könnten.« Er kam dem Einwand Pucettis zuvor: »Wenn es Ihnen gelungen ist, da hineinzukommen, könnte es jemand anderem gelingen, Ihnen das nachzuweisen, und damit wäre Signor Buffaldi für alle Zeiten unangreifbar.«
    »Er ist auch jetzt schon ziemlich unangreifbar, nicht wahr?«, sagte Pucetti mit kaum verhohlenem Zorn.
    Brunetti sprang darauf an. Ein junger Hitzkopf, der sich einbildete, er könne die Welt verändern: Genau so einer war Brunetti vor ein paar Jahrzehnten selbst gewesen, frisch in den Polizeidienst aufgenommen und versessen darauf, für Gerechtigkeit zu sorgen. Die Erinnerung holte Brunetti auf den Teppich zurück. »Pucetti«, sagte er, »wir haben uns an das Rechtssystem zu halten, wie es nun einmal ist. Es zu kritisieren ist ebenso sinnlos, wie es zu idealisieren. Sie wissen so gut wie ich, wie eingeschränkt unsere Befugnisse sind.«
    Da konnte Pucetti nicht mehr an sich halten: »Aber was ist mit ihr? Wenn sie etwas ermittelt, verwenden Sie das doch.« Wieder spürte Brunetti den Eifer des jungen Polizisten.
    »Pucetti, ich habe Sie beobachtet, als ich Ihnen riet, Ihre Spuren zu verwischen: Sie wissen, dass Sie welche hinterlassen haben. Wenn Sie die nicht löschen können, bitten Sie Signorina Elettra, Ihnen dabei zu helfen. Ich möchte nicht, dass dieser Fall noch komplizierter wird, als er ohnehin schon ist.«
    »Aber wenn Sie das nicht verwenden…«, fuhr Pucetti auf.
    Brunetti brachte ihn mit einem eindringlichen Blick zum Schweigen. »Die Informationen liegen mir vor, Pucetti. Und zwar schon lange, nämlich seit sie die Kreuzfahrten gebucht und das Auto und das Haus gekauft haben. Also gehen Sie jetzt, und verwischen Sie Ihre Spuren, und kommen Sie nie mehr auf die Idee, so etwas ohne mein Wissen und ohne meine Erlaubnis zu unternehmen.«
    »Wo ist denn der Unterschied zwischen meinen und ihren Informationen?«, fragte Pucetti wissbegierig, ohne jeden Sarkasmus.
    Wie sehr konnte man ihm vertrauen? Wie konnte man ihn davon abhalten, sie alle in juristische Schwierigkeiten zu bringen, und ihn gleichwohl ermutigen, auch mal ein Risiko einzugehen? »Im Gegensatz zu Ihnen hinterlässt sie keine Spuren.«
    Brunetti griff nach dem Telefon und wählte Signorina Elettras Nummer. Als sie abnahm, sagte er: »Signorina, ich gehe jetzt einen Kaffee trinken. Könnten Sie so lange in mein Büro kommen? Pucetti hat etwas an seinen Recherchen zu korrigieren, und vielleicht können Sie ihm dabei helfen.« Er hörte ihr zu und sagte dann: »Natürlich warte ich, bis Sie hier sind.« Er legte auf, stellte sich ans Fenster und wartete.

4

    Brunetti, der an diesem Vormittag schon drei Tassen Kaffee getrunken hatte, verzichtete auf einen weiteren und ging nach unten ins Labor, um sich bei Bocchese nach Neuigkeiten über den Mann zu erkundigen, den man am Morgen gefunden hatte. Beim Eintreten sah er im Hintergrund zwei Techniker an einem langen Tisch; der eine trug Plastikhandschuhe und nahm nacheinander Gegenstände aus einer Pappschachtel, die der andere offenbar auf einer Liste abhakte. Der mit den Handschuhen machte plötzlich einen Schritt nach links, so dass Brunetti die Sicht auf die Gegenstände versperrt wurde.
    Bocchese saß am Schreibtisch in der Ecke über ein Blatt Papier gebeugt und schien eine Zeichnung anzufertigen. Der Laborchef hob nicht den Kopf, als Schritte sich näherten; Brunetti bemerkte, dass die kahle Stelle auf Boccheses Kopf in den letzten Monaten größer geworden war. In seinem unförmigen weißen Kittel hätte man Bocchese ohne weiteres für einen Mönch in einem mittelalterlichen Kloster halten können. Brunetti ließ diesen
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