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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Autoren: Donna Leon
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Gedanken fallen, als er die Zeichnung sah: keine verschlungene Initiale in einem Bibeltext, sondern eine schmale Klinge.
    »Ist das die Tatwaffe?«, fragte Brunetti.
    Bocchese hielt den Bleistift schräg und schraffierte die Unterseite der Klinge. »Wie Rizzardi sie in seinem Bericht beschreibt«, sagte er und hielt das Blatt hoch, so dass er und Brunetti es betrachten konnten. »Knapp zwanzig Zentimeter lang, zum Griff hin vier Zentimeter breit.« Und mit ruppiger Expertise: »Also ein normales Messer, keins, das er zusammenklappen und in die Tasche stecken konnte. In der Küche gefunden, würde ich sagen.«
    »Die Spitze?«, fragte Brunetti.
    »Sehr schmal. Aber das ist ja wohl bei den meisten Messern so. Durchschnittliche Breite etwa zwei Zentimeter.« Er klopfte mit dem Radiergummi am Ende des Bleistifts auf die Zeichnung. Dann fügte er ein paar Striche hinzu, so dass die dolchartige Spitze deutlicher hervortrat. »Dem Bericht zufolge weist das Gewebe am Ende der Einstiche Kratzspuren auf – wahrscheinlich beim Hinausziehen der Klinge entstanden«, erklärte er. »Die Einstiche waren nach oben hin geweitet, aber das ist bei Messerverletzungen immer so.« Wieder klopfte er mit dem Radiergummi auf die Zeichnung. »Nach so einem Ding suchen wir.«
    »Sie haben keinen Griff gezeichnet«, sagte Brunetti.
    »Natürlich nicht«, sagte Bocchese und legte die Zeichnung auf den Tisch. »Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, was für eine Form der gehabt haben könnte.«
    »Macht es was, das nicht zu wissen?«, fragte Brunetti.
    »Sie meinen, wenn man bestimmen will, um was für ein Messer es sich handelt?«
    »Ja. Das meinte ich.«
    Bocchese legte eine Hand auf das Papier, neben das breite Ende der Klinge, als wolle er den nicht vorhandenen Griff packen. »Länge mindestens zehn Zentimeter«, sagte er, »wie die meisten Griffe.« Dann überraschte er Brunetti mit dem überflüssigen Zusatz: »Sogar die von Kartoffelschälern.«
    Er zog die Hand weg und sah zum ersten Mal zu Brunetti auf. »Zehn Zentimeter sind das Mindeste, wenn es gut in der Hand liegen soll. Warum fragen Sie?«
    »Weil so ein sperriges Ding – die Klinge zwanzig, der Griff zehn Zentimeter lang – doch schwer zu transportieren sein dürfte.«
    »In eine Zeitung eingeschlagen, in einer Computertasche, in einer Aktentasche; es würde sogar in einen Schnellhefter passen, wenn man es schräg hineinlegt«, sagte Bocchese. »Spielt das eine Rolle?«
    »Man läuft nicht grundlos mit einem so großen Messer herum. Und man muss sich überlegen, wie man es unauffällig transportieren kann.«
    »Und das deutet auf Vorsatz hin?«
    »Offenbar. Schließlich wurde er nicht in der Küche oder in der Werkstatt oder sonstwo getötet, wo zufällig ein Messer herumliegen könnte, oder?«
    Bocchese zuckte die Schultern.
    »Was soll das heißen?«, fragte Brunetti, lehnte sich gegen den Tisch und verschränkte die Arme.
    »Wir wissen nicht, wo es passiert ist. Laut Ambulanzbericht wurde er im Rio del Malpaga gefunden, gleich hinter dem Giustinian-Krankenhaus. Rizzardi sagt, er hatte Wasser in der Lunge, also könnte man ihn überall getötet und in einen Kanal geworfen haben, von wo er dann dorthin getrieben ist.« Bocchese entdeckte eine unsichtbare Unvollkommenheit in der Zeichnung, nahm den Bleistift und trug von der Mitte der Klinge aufwärts noch eine dünne Linie ein.
    »Gar nicht so einfach«, sagte Brunetti.
    »Was?«
    »Eine Leiche in einen Kanal zu werfen.«
    »Von einem Boot aus könnte es einfacher sein«, meinte Bocchese.
    »Dann hat man Blutspuren im Boot.«
    »Fische bluten auch.«
    »Und Fischerboote haben Motoren, und nach acht Uhr abends sind keine Motoren mehr erlaubt.«
    »Für Taxis schon«, erklärte Bocchese.
    »Kein Mensch nimmt ein Taxi, um eine Leiche ins Wasser zu werfen«, knurrte Brunetti, der mit Boccheses Art vertraut war.
    Umgehend kam die Replik: »Dann eben ein Boot ohne Motor.«
    »Oder eine Wassertür unten am Haus.«
    »Wenn man keine neugierigen Nachbarn hat.«
    »Ein stiller Kanal, ein Haus ohne Nachbarn, ob neugierig oder nicht«, sagte Brunetti und begann den Stadtplan in seinem Kopf abzusuchen. »Rizzardi meint, es war nach Mitternacht.«
    »Vorsichtiger Mann, der Dottore.«
    »Gefunden um sechs«, sagte Brunetti.
    »›Nach Mitternacht‹«, sagte Bocchese. »Also jedenfalls nicht Punkt Mitternacht.«
    »Wo genau hinter dem Giustinian wurde er gefunden?«, erkundigte sich Brunetti nach der ersten Koordinate auf seinem
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