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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe
Autoren: Birgit Klaus
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Fleisch. Nachdem er einmal Wurstsalat aufgetischt bekam und in Erinnerung rief, dass er doch Salat ohne Fleisch bestellt hatte, meinte die Bedienung: »Das können Sie ruhig essen, das ist kein Fleisch.«
    Erst mit vierzig überlegte M., zumindest wieder Fisch zu essen. Vermutlich wäre es auch so gekommen, wäre da nicht der Ausflug ins »Sea Life Centre« in Konstanz am Bodensee gewesen. Ein Tisch im besten Fischrestaurant am Hafen war bereits für abends reserviert, als der Tag die Wende brachte. M. stand mit Freundin und Mutter am Riesenaquarium und betrachtete eine Gruppe von Rochen:
    Die Rochen lagen zunächst alle am Boden des Aquariums. Doch irgendwie müssen sie auf uns aufmerksam geworden sein. Sie stiegen dann einer nach dem anderen zur Wasseroberfläche auf. Das war völlig bizarr. Irgendwann waren alle oben und haben aus dem Wasser rausgeschaut. Wir haben sie gestreichelt und dann kamen mehr und mehr. Die sind da rumgetänzelt und haben vor unseren Augen Salti geschlagen und mit uns gespielt wie junge Hündchen. Es war eigentlich verboten, sie zu streicheln. Sie hatten ja einen Stachel und Stechrochen können einem üble Schmerzen zufügen. Eine Mitarbeiterin meinte später, die seien deshalb so zahm, weil sie an Menschen gewohnt seien, aber wegen bakterieller Infektionen dürfe man sie trotzdem nicht streicheln. Für mich waren Fische vorher immer nur Lebewesen, die kein wirkliches Bewusstsein hatten. Aber nachdem sie mit mir gespielt hatten wie Haustiere, hat mir das den Appetit verschlagen. Ich konnte sie nun genauso wenig wieder essen wie Säugetiere.
    Aus war es mit der Pescetarier-Karriere. Der Tisch im Fischrestaurant wurde am selben Abend abbestellt.

Die größte aller großen Versuchungen
    Ich habe die Grillfeste im Sommer überstanden, Essenseinladungen bei Freunden, einen Urlaub im Wild- und Muschelparadies, Betriebsfeiern, ganze zwei Martinsgansfeiern und das Weihnachtsfest 2010. Nur eine einzige Prüfung musste ich bisher noch nicht bestehen, die größte aller großen Versuchungen, meine Leibspeise: Sauerbraten. Nur wenige Tage nach Weihnachten ist es dann so weit. Der Braten lauert in der unteren Etage, in der Wohnung meiner Mutter. Seit zwei Tagen zieht der Duft durchs Haus und ich habe die Wohnung meiner Mutter bewusst gemieden. Heute begebe ich mich dann doch in die Höhle der Kochlöwin. Ich hebe den Topfdeckel kurz an und inhaliere tief. Man muss sich auch schwierigen Situationen aussetzen, nur das macht hart im Kampf gegen Gelüste, sage ich mir. Ich werde weit zurückgeworfen und überlege, ob ich vielleicht ein wenig Sauce essen darf, nur ein ganz klein wenig über Vaters legendäre Kartoffelknödel. Es ist eine heikle Situation, ich bin verdammt nah dran, schwach zu werden. Näher als seit vielen Monaten. Rettung kommt in Form eines Freundes, der helfen will, eine Lampe aufzuhängen. Er soll nicht Zeuge eines schwachen Willens werden! Entsetzlich die Vorstellung, rückfällig zu werden wie ein Exraucher, der sich nach draußen stiehlt, um heimlich eine Zigarette zu genießen, und später wieder reinkommt, als wäre nichts gewesen, obwohl jeder die Wahrheit riechen kann. Peinlich ist das. Und so landet der Deckel ganz schnell wieder auf dem Topf.
    Während der Besuch sich um die Lampe kümmert, eile ich nach oben und suche nach einem Sauerbratenersatz in meiner Küche. Spaghetti mit Tomatensauce müssen her, mein zweites Leibgericht. Und es muss schnell gehen. Also nehme ich ausnahmsweise eine Fertigsauce: eine Tofu-Bolognaise. Sie schmeckt ganz sicher nicht überwältigend, doch ich habe eine Möglichkeit gefunden, ihr sogar noch eine Idee Sauerbratengeschmack zu verpassen: ein paar Löffel Sauerrahm, eine Prise Garam Masala, ein wenig Butter. Es hilft, aber richtig froh bin ich wohl trotz allem erst, wenn der Topf unten leer und die Luft wieder rein ist.

Schweinische Vorbereitungen für Silvester
    Wegen Silvester habe ich mir hinsichtlich meines Vegetarier-daseins keine Sorgen gemacht. Es schien ungefährlich – Silvester ist nicht mit Erinnerungen an tolle Fleischgerichte verknüpft. Als ein Freund, K., mich am Vorabend seiner Silvester-Party fragt, ob ich nicht vorbeikommen möchte, um ein wenig über das Leben zu plaudern und schon einen Schluck Sekt vorab zu trinken, finde ich das eine hervorragende Idee. Ich stapfe durch den tiefen Schnee und freue mich auf einen gemütlichen Abend. Kaum in seiner Küche angekommen, regen sich Zweifel an der erhofften Gemütlichkeit. Aus
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