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Tiefes Land

Tiefes Land

Titel: Tiefes Land
Autoren: Carsten Steenbergen
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und lange genug beschäftigt sind, damit er höchstpersönlich das BTX-8 zum Einsatz bringen konnte. Der Timer sollte uns dabei gehörig unter Druck setzen. Von seinem Krankenhauszimmer aus hat er uns vortrefflich mit seinem Taktstock dirigiert, wenn Sie mir diesen Vergleich erlauben. Es hätte auch beinahe geklappt.«
    »Und wieso haben Sie nicht reagiert, als de Hag auf den Knopf der Nebelmaschine gedrückt hat? Wir hätten alle drauf gehen können.«
    »Ich habe mir erlaubt, vorsorglich den Stecker zu ziehen. Wir wollten doch nicht, dass jemand ernsthaft verletzt wird, oder?«
    »Natürlich nicht. Aber ... Bitte entschuldigen Sie mein Unverständnis, ich bin immer noch verwirrt. Wie sind Sie ihm denn jetzt auf die Spur gekommen?«
    »De Hag hatte die Mitbewohnerin von Mieke Tervoren, eine Studentin namens Dina Krapp, bei seinem Plan außer Acht gelassen. Sie und ihre beiden Kommilitonen Mieke Tervoren und das spätere Opfer Adrian Frisberg hielten sich in aller Regelmäßigkeit im Club Beautiful Island auf. Das war so eine Art Underground Studententreffen, an dem ab und zu auch andere Studenten teilnahmen. Sie diskutierten dort die Möglichkeiten zur Änderung der Gesellschaft. Für mehr Toleranz und sozialer Gerechtigkeit und so ein Zeug. Dina war es, die irgendwann neue Diskussionswillige zu den Treffen mitbrachte, ohne zu ahnen, dass es sich bei ihnen um Kriminelle handelte.«
    »De Hag und seine Leute.«
    »Richtig. Ich habe Dina schließlich bei ihrer Tante ausfindig gemacht, wo sie sich verkrochen hat. Sie erzählte mir ihren Teil der Geschichte und gab mir ein Flugticket vom letzten Jahr. Mieke hatte es aus dem Club mitgehen lassen. De Hags Namen stand drauf. Im Übrigen war es genau das Beweismittel, was Yuri Sneek in der Wohnung der beiden Studentinnen suchen sollte. Der Princess Juliana Airport auf St. Maarten hat mir de Hags Ausreise telefonisch bestätigt und so seine angeblich mehrjährige Anstellung bei dem Immobilienmakler Vandersee widerlegt. Er ist zuvor also auf Bonaire gewesen und hat dort Kontakt mit einer radikalen Widerstandsgruppe aufgenommen, die entschieden gegen den weiteren Verbleib der Insel im niederländischen Staat war. Und auch vor gewalttätigen Mitteln nicht zurückschreckte. Die Tätowierung in Sneeks Nacken erklärte sich damit ebenfalls. Eine Carcó, eine Meeresschnecke, wie sie hauptsächlich in der Umgebung der Antillen vorkommt.«
    »Und warum haben Sie ihn nicht direkt festgenommen?« Tessa hob verständnislos die Arme.
    »Weil ich weder beweisen konnte, dass de Hag mit seinem wasserdichten Krankenhausalibi etwas mit dem Raub oder den Morden zu tun hatte, noch wusste ich, wo das Btx-8 zu finden war. Und das musste unbedingt wieder her. Mit der Probe hätte man das Zeug ohne größeren Aufwand in irgendeinem anderen Labor reproduzieren können. Irgendwo im Ausland, wo wir es vermutlich nie aufspüren würden. Was das ausgelöst hätte, muss ich Ihnen ja nicht erklären.« Willem schwieg für einen Moment. »Auf der Gracht hatte ich ihn beinahe. Nach der Schießerei ...
    »De Hag ist ein äußerst verschlagener Verbrecher. Und ein sehr talentierter Schauspieler dazu. Die Nummer mit dem angeblichen Entführer hinter der Bühne war mehr als oscarreif. Nur gut, dass wir den unschuldigen Techniker nicht eingeholt haben. Eine Verhaftung hätte de Hag die nötige Zeit gegeben, seinen Plan in die Tat umzusetzen und zu verschwinden. Ach, bevor ich es vergesse ...«
    Überraschend versetzte Tessa dem Agenten eine schallende Ohrfeige. »Das war dafür, dass Sie mich bewusst in Gefahr gebracht haben. Und für Ihre Solotouren. Wenn Sie das noch einmal so durchziehen, werden Sie sich wirklich wünschen, nie zum AIVD gekommen zu sein. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.«
    »Ja, doch«, erwiderte Willem schmunzelnd. »Die Ohrfeige habe ich wohl verdient. Ich werde in Zukunft die Dinge etwas anders handhaben, schätze ich. Sofern Sie mich dabei unterstützen wollen. Frieden?« Willem bot Tessa die Hand an.
    Die Agentin schlug ein. »Frieden«, bestätigte sie.
    »Dann wäre das ja vom Tisch. De Hag wird jedenfalls sehr viele Falten haben, wenn er wieder aus dem Gefängnis entlassen wird«, grinste Willem verschmitzt.
    »Ganz sicher«, nickte Tessa lächelnd. »Ich hoffe nur, dass er sich zukünftig sein Botox legal besorgt - auf Rezept.«

08:23 Uhr, 8. Mai, Gefängniskomplex Bijlmerbajes, Amsterdam Over-Amstel, Demersluis-Turm

    Ein stoisch dreinblickender Wächter mit taubengrauem Hemd
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