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Tiefes Land

Tiefes Land

Titel: Tiefes Land
Autoren: Carsten Steenbergen
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andere für das große Ziel draufgehen. Ein freies Bonaire.« Er unterbrach sich selbst und betrachtete eine Weile die Zelleneinrichtung, als ob sie mit einem Mal wichtiger als das Gespräch geworden wäre. »Seien wir doch offen zueinander. Im Grunde sind Sie ein Feigling. Ein bedeutungsloser Handlanger, der brav tut, was man ihm aufträgt und mehr nicht. Was hat man ihnen versprochen? Ein sorgenfreies Leben bis ans Ende ihrer Tage? Drogen, so viel wie Sie wollen? Frauen? Die ungestrafte Befriedigung perverser Neigungen?«
    Peer de Hag lachte amüsiert auf. »Ersparen Sie uns doch bitte ihre alberne Handbuchpsychologie. Sie können mich nicht provozieren. Schon gar nicht auf diese billige Tour. Sonst müsste ich annehmen, dass Sie auf beleidigende Art und Weise meine Intelligenz infragestellen. Und dazu möchte ich Ihnen unter diesen Umständen wirklich nicht raten.«
    »Natürlich nicht. Weil Sie schließlich in Kürze dieser Residenz den Rücken kehren werden, richtig?«
    »Sie zweifeln daran?«
    »Sollte ich nicht? Lassen Sie mich die Ereignisse der letzten Tage einmal zusammenfassen. Überfall auf ein Pharmalabor, versuchter Mord an der Königin der Niederlande und Tausende Konzertbesucher, Widerstand gegen die Staatsgewalt mit Körperverletzung in Folge. Da kommen mehr Jahre zusammen, als Sie bis zu Ihrer Rente absitzen können. Zudem hat Ihre Festnahme erneut die öffentliche Diskussion zur Wiedereinführung der Todesstrafe für Attentäter aufleben lassen. Dabei dachte man seit 2005, diese Idee wäre endgültig vom Tisch. Herzlichen Glückwunsch, das schafft nicht jeder. Und den Mord an Ihren Mitläufern werden wir doch auch nicht vergessen, nicht wahr?«
    »Den Sie nicht beweisen können. So wie Einiges von den anderen Dingen. Was also wollen Sie von mir?«
    »Wie wäre es mit einem umfassenden Geständnis?«
    »Phh. Machen Sie sich nicht lächerlich.«
    Willem schwieg eine Weile und betrachtete sein Gegenüber mit einem schmunzelnden Zug um seinen Mund. Obwohl er sich gelassen gab, zeugten winzige Schweißperlen an der Schläfe und die kaum sichtbare Bewegung des rechten Beines von dem Stresspotenzial, unter dem de Hag stand. Dennoch, der Mann war ein harter Hund, der vermutlich selbst die schlimmsten Verhöre überstand. Verhöre, in denen äußerst illegale Methoden Anwendung fanden. Verhöre, die normale Menschen zerbrechen konnten wie morsches Holz. Der Attentäter jedoch spielte in einer gänzlich anderen Liga.
    De Hag zeichnete insbesondere seine Abgeklärtheit und seine Unerschrockenheit aus. Kombiniert mit einem überdurchschnittlichen Intellekt. Das waren nicht zu unterschätzende Eigenschaften. Sofern Willem auch nur im Geringsten gehofft hatte, Informationen auf direktem Wege aus de Hag herauszubekommen, so sah er nun seine Ahnung bestätigt. Der Mann würde den Mund nicht aufmachen, nur abwarten. Und schweigen, bis er hier herauskam. Das stand unumstößlich fest. Wenn Willem etwas erfahren wollte, musste er einen gänzlich anderen Weg einschlagen.
    »Was ist nun? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Ich dachte, Ihnen brennen dringende Fragen unter den Nägeln?«
    Willem reagierte nicht auf die höhnischen Worte seines Gegenüber. Er lächelte und erhob sich von seinem Sitzplatz. Er drehte sich um, überwand die wenigen Meter zur Tür und schlug dagegen. Es dauerte nur Sekunden, bis sich der Schlüssel klickend im Schloss herumdrehte und der Wärter vor ihm auftauchte.
    »Fertig? Wissen Sie nun alles, was sie wissen wollten?«
    Willem antwortete nicht, sondern ging wortlos hinaus. Vor der offenen Tür hielt er an und hob die Hand in Richtung Verhörraum zum Abschiedsgruß. Seine Miene blieb dabei freundlich wie nichtssagend. Der Attentäter starrte ihn verblüfft an. Als der Wärter die Tür langsam zuschob, brüllte ihm de Hag hinterher.
    »Glauben Sie wirklich, dass es bereits vorbei ist? Wir beide werden uns wieder sehen. Es hat gerade erst angefangen. Hören Sie, van den Dragt? Es hat gerade erst angefangen!«

    Der Wärter begleitete Willem van den Dragt bis zurück zum Anmeldegebäude. Dort angekommen, verabschiedete er sich höflich. Willem gab ihm die Hand, bedankte sich und nickte bestätigend. »Ja, ich glaube schon.«
    Der Wärter runzelte irritiert die Stirn. »Ich verstehe nicht. Sie glauben schon was?«
    »Ihre Frage von vorhin«, erklärte Willem. »Ob ich jetzt alles wüsste, was ich wissen müsste. Das ist der Fall. Zumindest einigermaßen.«
    »Freut mich zu hören.«
    »Ich
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