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Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Titel: Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre
Autoren: Jasper Fforde
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aufgeregtes Murmeln ging durch den Saal, und ich hörte mehrere Gäste meinen Namen flüstern. Im alten Orchestergraben befand sich eine improvisierte Presseloge, besetzt mit einer Phalanx von Reportern aller großen Sender. Die Veranstaltung in Swindon war in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses gerückt; was hier gesprochen wurde, war von kaum zu überschätzender Bedeutung. Ich bahnte mir einen Weg zur Bühne, wo sich die beiden feindlichen Lager an zwei Tischen gegenübersaßen. Über Colonel Phelps hing eine große englische Flagge; sein Tisch war mit Wimpeln und Blumen geschmückt und bog sich unter der Last von Notizblöcken und Flugblättern. Unterstützt wurde er von mehreren, zumeist uniformierten Angehörigen der Streitkräfte, die auf der Halbinsel Dienst getan hatten. Einer der Soldaten hatte sogar ein Plasmagewehr bei sich.
    Am anderen Ende der Bühne stand der »Anti«-Tisch. Auch hier saßen zahlreiche Veteranen, freilich nicht in Uniform. Ich erkannte das Studentenpärchen, das mich am Flugplatz in Empfang genommen hatte, und meinen Bruder Joffy, der mich lächelnd mit einem stummen: »Na, du Pflaume?« begrüßte. Es wurde still im Saal; die Zuschauer hatten von meiner Teilnahme gehört und auf mein Eintreffen gewartet.
    Die Kameras folgen mir, als ich mich der Bühnentreppe näherte und langsam hinaufstieg. Phelps stand auf, um mich willkommen zu heißen, doch ich ließ ihn links liegen, ging weiter zum »Anti«-Tisch und nahm auf dem Stuhl Platz, den einer der Studenten für mich geräumt hatte. Phelps war entsetzt; er wurde puterrot, beherrschte sich jedoch, als er bemerkte, daß die Fernsehkameras auf ihn gerichtet waren.
    Lydia Startright war mir auf die Bühne gefolgt. Sie sollte die Veranstaltung moderieren; sie und Colonel Phelps hatten darauf bestanden, auf mich zu warten. Startright war froh darüber; Phelps nicht.
    »Verehrte Damen und Herren«, hob Lydia an, »der Verhandlungstisch in Budapest ist verwaist, und die neue englische Offensive wirft ihren Schatten voraus. Während eine Million Soldaten einander auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen, wollen wir uns die Frage stellen: Wie steht es um die Krim?«
    Phelps stand auf und wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor.
    »Ich weiß, es ist ein alter Kalauer«, begann ich, »aber der Krimkrieg ist Kriminell.« Ich machte eine Pause. »Davon bin ich überzeugt, und für diese Überzeugung kämpfe ich. Selbst Colonel Phelps dort drüben wird mir zustimmen, wenn ich sage, daß es höchste Zeit ist, die Krim endgültig zu befrieden.«
    Colonel Phelps nickte.
    »Im Unterschied zum Colonel bin ich allerdings der Meinung, daß Rußland einen berechtigteren Anspruch auf das Territorium hat.«
    Eine kontroverse Bemerkung; Phelps’ Anhänger waren empört, und es dauerte zehn Minuten, bis die Ordnung wiederhergestellt war.
    Schließlich gelang es Startright, die Gemüter zu beruhigen, so daß ich endlich fortfahren konnte.
    »Vor knapp zwei Monaten bot sich die günstige Gelegenheit, diesen Wahnsinn ein für allemal zu beenden. England und Rußland saßen in Budapest am Verhandlungstisch, und der vollständige Rückzug aller englischen Truppen schien nur noch eine Frage der Zeit.«
    Im Saal herrschte Totenstille. Phelps hatte sich zurückgelehnt und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
    »Doch dann kam das Plasmagewehr. Codename: Stonk.«
    Ich blickte einen Moment zu Boden.
    »Besagtes Stonk war der Schlüssel zu einer neuen Offensive und einem möglichen Wiederaufflackern des Krieges, in dem es seit acht Jahren – Gott sei Dank – nur zu vereinzelten Gefechten gekommen ist.
    Es gibt da allerdings ein Problem. Die Offensive ist auf Sand gebaut; allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz ist das Plasmagewehr nur ein Bluff – Stonk
funktioniert nicht!
«
    Ein Raunen ging durch den Saal. Phelps starrte mich mürrisch an, eine Augenbraue zuckte. Er flüsterte dem Brigadier, der neben ihm saß, etwas zu.
    »Die englischen Truppen warten auf eine neue Waffe, die nicht kommen wird. Die Goliath Corporation hat die englische Regierung zum Narren gehalten; trotz Investitionen in Milliardenhöhe taugt das Plasmagewehr soviel wie ein Besenstiel.«
    Ich setzte mich. Niemandem, weder dem Publikum vor Ort noch den Zuschauern der Fernsehübertragung, entging die Tragweite meiner Worte; der englische Kriegsminister hatte den Telefonhörer schon in der Hand. Er wollte mit den Russen sprechen, bevor die auf dumme Gedanken kamen – und womöglich
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