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Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Titel: Thennberg oder Versuch einer Heimkehr
Autoren: Gyoergy Sebestyen
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war beides geschehen, wie jämmerlich, dachte er, wer bin ich denn, dass ich mit einem Mörder – aber da war er bereits aus dem Haus getreten und sah wieder Markus Löw, der vor der Eingangstür stand und das Geweih des Kapitalhirsches betrachtete, lächelnd. Komm, sagte Markus Löw und wandte sich um, und Richard Kranz ging ihm nach, vorbei an der Apotheke und an der Kirche, vorbei am Friedhof, vorbei am Schloss, ging langsam und schwerfällig, unter seinem Fuß hatte sich die lehmig gelbe Oberfläche einer Lache gekräuselt, das Wasser war emporgestiegen, hatte sich wieder gesenkt, Lehmklumpen hatten sich an die Schuhsohlen gelegt, sie rutschten bei jedem Schritt. Wohin gehen wir? fragte Richard Kranz, er hatte Markus Löw endlich eingeholt, und dieser sagte, ohne stehenzubleiben: Wohin sollen wir schon gehen? Wir gehen zur großen Straße hinunter und dann weiter nach Wien, und einen Bach wird es schon geben unterwegs, irgendeinen, und einen Stein wird es schon geben und einen Fisch wird es auch noch geben, komm, wenn man die Füße bewegen kann, dann geht man eben, und wozu willst du fragen, warum.

Literatur als Gegenentwurf zum Bestehenden
    Adnotes zum Roman
Thennberg oder Versuch einer Rückkehr von
    György Sebestyén

    Vor zwanzig Jahren verstarb György Sebestyén. Sein literarisches Werk ist, soweit in Buchform erschienen, nur mehr im Antiquariat auffindbar. Die in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckten Erzählungen, Betrachtungen, Feuilletons sind nahezu unzugänglich, da viele der Periodika in der Zwischenzeit eingestellt und seine Beiträge vor der elektronischen Erfassung veröffentlicht worden sind. Die von ihm begründeten und herausgegebenen Zeitschriften konnten nicht die Entwicklungen fortsetzen, die von ihm intendiert waren. Der in Niederösterreich erscheinende morgen wurde völlig verändert und wird längst nicht mehr von der Autoren- und Künstlergruppe getragen, die sich als morgen -Kreis begriff. Der morgen war als Plattform gedacht, in der sich Künstler verschiedener Disziplinen und Weltanschauungen finden sollten, um gemeinsam unaufgeregt und über die Grenzen der einzelnen Kunstdisziplinen hinausgehend nachzudenken. Die im Burgenland veröffentlichte Pannonia ist so lange unregelmäßig erschienen, bis sie sanft entschlafen ist. Damit ist auch Sebestyéns unermüdliches Engagement, inmitten des Kalten Krieges den Dialog über den Eisernen Vorhang nicht gänzlich abreißen zu lassen, vergessen worden und seine Botschaft, dass man sich an den engen vorgegebenen Grenzen der Ausdrucksmöglichkeiten solangezu reiben habe, bis aus den offiziell zugestandenen zwei Millimetern vier werden.
    Wie mit seinem literarischen und geistigen Vermächtnis umgegangen worden ist, stellt kein Ruhmesblatt für die Zeit nach seinem Tod dar. György Sebestyén wurde nicht müde vor dem Verfall des intellektuellen Lebens zu warnen und wurde selbst Opfer dieses Verfalls, der seine Wurzeln im Ignorieren von bereits Erarbeitetem hat und historische Traditionen nicht mehr kennt.
    Die nun folgenden Anmerkungen versuchen eine Annäherung an Person und Werk in vier Schritten, die angesichts der Fülle und Vielgestaltigkeit des Werks und der zahlreichen Funktionen, die der Autor in seinem Leben ausübte, fragmentarisch bleiben müssen.
    I. ZENTRALES ELEMENT IN DER LITERATUR VON
GYÖRGY SEBESTYÉN IST DAS FESTHALTEN
    DES SCHRECKENS IN DEN VON IHM ERLEBTEN ZEITEN

    Ähnlich wie Michael Guttenbrunner erlebte György Sebestyén so manche Periode in Europa, in denen die Menschenschänder das Sagen hatten, wenn auch in etwas unterschiedlicher Form, die durch den Abstand der Geburtsjahre und die unterschiedlichen Geburtsländer erklärbar ist. Beide Autoren kannten einander und waren durch den P.E.N.-Club miteinander verbunden, der sich als Möglichkeit der Begegnung aller Schriftsteller verstand und heute noch versteht: Im Zeichen der Freiheit und der Friedensidee, dabei die Weltanschauung des jeweiligen Gegenübers achtend, wollen Schreibende jenen Traum wachhalten, den Franz Theodor Csokor als „Weltrepublik der Literatur“ bezeichnete.
    Wie unterschiedlich und trotzdem gleichen Geistes Michael Guttenbrunner und György Sebestyén waren, zeigen folgende Zitate der beiden Autoren. Das Gedicht „März 1938“ von Michael Guttenbrunner lautet:

    Die feierliche Lust des goldnen Lichtes
klingt wie Musik zu Mord und Zeitung.
Schwärzlicher Nebel
verschließt die Menschenseelen
vor den Strahlen und Stimmen der
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