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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead
Autoren: Kevin Brooks
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der ölverschmierte weiße Lack überall mit Matsch bespritzt.
    Jess öffnete die Tür und legte die Flinte auf den Sitz, dann drehte sie sich um und rief zu mir runter: »Warte da, Ruben. Ich werd nur eben   –«
    Sie verstummte abrupt, ihr Blick gebannt von irgendetwas hinter mir. Ich drehte mich um und sah von der anderen Seite der Kabine her eine Gestalt auftauchen, die ein Gewehr auf Jess richtete. Es dauerte einen Augenblick, bis ich sah, dass es Abbie war. Ihr Gesicht war gealtert, alles Leben aus ihm gewichen. Ihre Haut wirkte grau und fahl, ihre Augen waren unkoordiniert, die Bewegungen steif und kalt.
    »Runter da«, sagte sie zu Jess. »Lass die Waffe im Wagen.« Ihre |325| Stimme klang flach und teilnahmslos, fast wie in Trance. »Runter«, wiederholte sie. »Sofort.«
    Jess bewegte sich langsam, stieg die Kabinenleiter herunter und hielt die Augen starr auf Abbie fixiert.
    »Ist gut«, sagte Jess mit ruhiger Stimme und zeigte ihre Hände. »Ich tu dir nichts.« Sie warf einen kurzen Blick auf das Gewehr. Abbies Finger lag am Abzug. Jess lächelte sie an. »Warum nimmst du das Ding nicht runter? Wir haben hier einen Tankwagen voll mit Benzin.«
    »Halt den Mund«, sagte Abbie und packte das Gewehr fester. Sie blinzelte ein paar Mal, sah sich in der Scheune um, dann fiel ihr Blick plötzlich auf Cole. Als er ruhig näher kam und neben uns stehen blieb, richtete Abbie die Waffe auf ihn.
    »Bleib da«, sagte sie.
    Cole sah sie nur an.
    »Keine Bewegung«, sagte sie zu ihm.
    Er starrte sie an. »Was willst du?«
    »Vince ist nicht schuld   …«, murmelte sie. »Er wollte das alles nicht   … es war ein Versehen.«
    »Nein, war es nicht«, sagte Cole. »Und das weißt du.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er wollte keinem wehtun.«
    »Er hat dich ausgeliefert. Er hat dich benutzt. Er hat dafür gesorgt, dass Rachel umgebracht wurde. Er hat meinen Bruder gefangen gehalten wie einen Hund.«
    »Nein«, flüsterte Abbie und fing an zu weinen, »das war nicht er   –«
    »Und jetzt hat er dich im Stich gelassen. Du schuldest ihm nichts.«
    »Er ist mein Mann«, sagte sie zitternd unter Tränen. »Er ist alles, |326| was ich habe   …« Sie senkte für einen Moment den Blick, versunken in ihrer Traurigkeit, dann schniefte sie, drängte die Tränen zurück, hob den Kopf und richtete die Waffe mit einem Ruck wieder auf Cole. »Du wirst ihn mir nicht wegnehmen«, sagte sie. »Ich kann nicht zulassen, dass du das tust.«
    »Ich nehm dir niemanden weg«, erklärte ihr Cole. »Er ist schon längst auf und davon.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du wirst zur Polizei gehen. Du wirst ihnen sagen, was er getan hat. Sie werden ihn mitnehmen. Ich kann nicht zulassen, dass du das tust.«
    Cole sah sie an und ich spürte, wie er damit rang, sich selbst zu verstehen. Er hasste sie, er verachtete sie, er wollte nichts als Abscheu für sie empfinden. Aber es war anders. Er konnte nichts dagegen tun. Trotz all ihrer Fehler – ihrer Feigheit, ihres Egoismus, ihrer Selbsttäuschung – tat sie doch etwas für jemanden, den sie liebte. Und das bedeutete Cole etwas.
    »Ich werde mit ihm sprechen«, sagte er zu ihr.
    »Mit wem?«
    »Mit Vince.« Er sah über ihre Schulter und nickte in Richtung des Wegs. »Schau, er kommt zurück.«
    Als Abbies Augen aufleuchteten und sie sich umdrehte, um auf den Weg zu schauen, trat Cole vor und schnappte ihr das Gewehr aus den Händen. Sobald sie merkte, dass sie getäuscht worden war, wirbelte sie herum, sprang ihn an und versuchte wie wild nach seinen Augen zu kratzen, doch ehe sie ihn erreichte, trat Jess dazu, packte sie von hinten und zog sie weg. Während sie um sich schlug und schrie, spuckte und fluchte wie eine Wahnsinnige, entlud Cole die Waffe, warf die Munition fort, dann hob er das Gewehr über den Kopf und knallte es auf den Boden.
    |327| Abbies Schreie waren inzwischen in Schluchzer übergegangen. Ihr Wahnsinn hatte sich selbst aufgebraucht. Sie hing in Jess’ Armen, den Kopf nach unten gebeugt, der Körper hob und senkte sich unter Stöhnen und Tränen.
    »Wir sollten sie lieber ins Haus zurückbringen«, sagte Cole zu Jess.
    Jess sah ihn an, ein bisschen überrascht von seiner Fürsorge. »Findest du das eine gute Idee? Ich meine, allzu lange sollten wir hier nicht mehr bleiben.«
    »Sie braucht Hilfe«, sagte er einfach, trat auf sie zu und nahm Abbies Arm. »Komm schon, ich helf dir.«
    Ich folgte ihnen aus der Scheune und über den Hof zum Haus. Abbie weinte nicht mehr   …
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