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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead
Autoren: Kevin Brooks
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sie tat
gar nichts
mehr. Ihr Gesicht war leer, ihre Augen waren fahl und sie schien nicht zu wissen, wohin sie eigentlich ging. Ich glaube, es interessierte sie auch gar nicht. Wenn Cole und Jess nicht da gewesen wären und sie an den Armen geführt hätten, wäre sie wahrscheinlich fort in das nächtliche Moor gelaufen und immer weiter.
    Wir schafften sie ins Haus und brachten sie ins Vorderzimmer. Während Jess ihr zum Sofa hinüberhalf und sie mit einer Decke zudeckte, ging Cole an ein Schränkchen neben dem Telefon und fing an, die Schubladen zu durchsuchen.
    »Wonach suchst du?«, fragte ich ihn.
    »Nach der Telefonnummer von ihrer Schwiegermutter.«
    »Wieso?«
    »Wer soll sich sonst um sie kümmern?«
    Ich sah zu, wie er in den Schubladen wühlte, Adressbücher und alte Zettel durchstöberte – kühl, ruhig und nüchtern   –, und ich wusste, er rang nicht mehr mit sich. Er hatte es aufgegeben, sich |328| selbst verstehen zu wollen. Etwas sagte ihm, er müsse tun, was er tat, und das reichte ihm. Er musste nicht wissen, wieso.
    Ich warf Jess einen Blick zu. Auch sie betrachtete Cole. Ihre Augen standen still, sie sah nichts anderes als ihn und ich spürte, wie einverstanden sie mit ihm war. Sie war jetzt
bei
ihm, empfand, was er empfand, und als er die Seiten eines kleinen, zerfledderten Notizbuchs durchblätterte und endlich die Nummer fand, die er suchte, spürte sie seine Unsicherheit.
    »Soll ich das machen?«, fragte sie ihn.
    Er sah sie an.
    Sie lächelte ihm zu, kam herüber und nahm den Hörer ab. »Wie ist die Nummer?«
    Cole zeigte ihr das Notizbuch und sie wählte. Es war inzwischen sehr spät – die ersten Stunden des Montags waren angebrochen – und das Telefon klingelte lange, ehe jemand den Hörer abnahm.
    »Mrs Gorman?«, sagte Jess schließlich. »Entschuldigung, dass ich sie geweckt habe. Ich bin im Haus Ihrer Schwiegertochter. Vince ist nicht da und Abbie braucht jemanden, der sich um sie kümmert   … nein, sie ist nicht verletzt, aber sie sollte jetzt nicht unbedingt allein sein.« Sie hörte auf zu sprechen und lauschte einen Moment. Ich hörte eine ferne Stimme, die Fragen in das Telefon bellte:
Wer sind Sie? Was ist passiert? Was soll das?
Jess sagte nichts. Sie sah Cole an, er nickte schweigend und sie legte den Hörer auf.
    Dann lächelte sie Cole wieder zu. »Okay?«
    Er nickte. »Danke.«
    Sie schauten sich einen kurzen Augenblick an, und als ich sie so sah, spürte ich das Gleiche wie schon zuvor – das Gute, das Prickelnde, |329| das, was mir nicht richtig vorkam zu teilen   –, nur dass es sich jetzt anders anfühlte. Das Gefühl ging jetzt tiefer. Tiefer, als ich es verstehen konnte.
    Cole sah hinüber zu Abbie. Sie lag noch immer auf dem Sofa, ohne sich zu rühren, und starrte mit leerem Blick zur Decke. Ihre Lippen zitterten, aber sie gab keinen Laut von sich.
    Cole drehte sich wieder zu Jess um. »Glaubst du, sie wird eine Weile allein zurechtkommen?«
    Jess zuckte die Schultern. »Ich glaube, viel können wir nicht mehr für sie tun.« Sie betrachtete Cole. »Was ist mit den andern in der Scheune?«
    »Was soll mit ihnen sein?«
    »Vielleicht sollten wir einen Krankenwagen rufen?«
    Cole schaute verwirrt. »Wieso?«
    Jess zuckte noch einmal die Schultern.
    Er sah sie einen Moment an, dann legte er das Notizbuch zurück in die Schublade und ging auf die Tür zu. »Komm«, sagte er, »lass uns verschwinden.«
     
    Ich bemerkte den Geruch in dem Tankwagen erst, als wir den Weg schon halb hinaufgefahren waren. Cole saß am Steuer, Jess auf dem Beifahrersitz und ich auf einer schmalen Armlehne zwischen ihnen. Es hatte aufgehört zu regnen, Cole hatte das Fenster geöffnet und ließ einen stürmischen kalten Luftzug herein, doch der Gestank war so stark, dass der frische Wind keinen Unterschied machte. Der Geruch klebte an allem, zuerst dachte ich, dass ich es wäre – meine verdreckten Klamotten, Blut und Schweiß   –, aber es schien nicht von mir zu kommen. Es roch wie der Matsch auf dem Hof – verrottet, Übelkeit erregend, gasig und widerlich. Ich |330| schnupperte umher, sah mich um – auf Coles Schuhe, Jess’ Schuhe, meine Schuhe, den Boden der Fahrerkabine   –, aber ich fand nichts. Doch allmählich spürte ich etwas. Es war die Erinnerung an einen Traum – einen Traum vom Tod. Ein Gefühl von Haut und Blut und purpurn angelaufenen Händen   … von kalter Erde und krabbelnden Dingen. Den Traum von einem toten Mann, der mich träumte   …
    Ich
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