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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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Jahrzehnte wurde er dicker, ja sogar behäbiger; sein Fleisch wurde schlaff, seine Haut stumpf, doch als er ein alter Mann war, strahlten seine Augen intensiver als in seinen jungen Jahren. Auch als er sich 1995 selbst spielte, in der albernen Schlussszene von Get Shorty , schien er alle seine früheren Rollen mit sich herumzutragen, irgendwo im Unterbewusstsein, in der Müdigkeit oder in der Vehemenz seiner Gesten – und, in seinem unerbittlichen Blick, außerdem noch die Erinnerungen, die der Zuschauer an jene Rollen hatte. Es ist geradezu unheimlich: Im Rahmen dieser zweifachen Erinnerung agiert und spricht Keitel so, als lege er es insgeheim darauf an, dass das, was wir ihn noch nicht haben tun sehen, all die Dinge heraufbeschwört, die wir ihn bereits auf der Leinwand haben tun sehen – die alten Performances schimmern durch die neuen hindurch, während uns die neuen Performances in den alten bestimmte Nuancen erkennen lassen, die wir dort vorher nie wahrgenommen haben.
    Doch je weiter das Echo von seinem Ausgangspunkt entfernt ist, umso unheimlicher ist die Wirkung, die es erzielt. In Oliver Stones The Doors (1991) sitzt Val Kilmers Jim Morrison betrunken in einem Flugzeug, zusammen mit seinem ihn auf den Tourneen begleitenden Kumpel Tom Baker, der von Michael Madsen gespielt wird, einem Schauspieler, der, wenn man ihn heute auf der Leinwand sieht – egal, in welcher Rolle und ungeachtet des Erscheinungsjahrs des Films –, immer eine Version des Rasiermessertanzes abzuliefern scheint, den sein Mr. Blonde zu den Klängen von »Stuck in the Middle with You« in Tarantinos Reservoir Dogs vollführt. Es ist der 1. März 1969; Morrison und Baker sind auf dem Weg zu dem Konzert in Miami, dessen juristisches Nachspiel die Karriere der Doors fortan überschatten soll. Baker wirft einen Blick auf Morrisons Wampe, die weiter anzuschwellen scheint, während wir zuschauen. »Was willst du machen, wenn die Musik vorbei ist?«, fragt er ihn, wobei Madsens Miene erahnen lässt, wie peinlich ihm diese platte, auf den Titel eines Doors-Songs anspielende Drehbuchzeile ist. Doch bei der folgenden Zeile spricht aus seinem Gesicht wieder ein nüchterner Sinn für die Realität: »Man wird sich nicht an dich erinnern, Jim.« Und so zieht Kilmers Morrison, nachdem er in der letzten Szene von The Doors in der Badewanne gestorben ist, in den folgenden Jahren durch fast ein Dutzend Rollen – ein im Abspann nicht genannter, schemenhafter toter Elvis in True Romanc e, ein wenig überzeugender Bruce Wayne in B atman Forever , als Doc Holliday in Tombstone kaum wahrgenommen oder als Simon Templar in The Saint kaum gesehen, in Pollock als Willem de Kooning lediglich ein Teil der Dekoration, bis Kilmer schließlich im Jahr 2003, mit Jim Morrison als der Rolle, die nach wie vor in sein Gesicht eingebrannt ist, in Bob Dylans Masked and Anonymous in L. A. auftaucht: mit Narben oder Kratzspuren auf den Wangen, mit langen Haaren und einem fusseligen Bart, ein Typ, der nun Schafe und Ziegen hütet, in einem kleinen Gehege auf einem Parkplatz, und der ein großes Messer wetzt, während er sich über Gott und die Menschen verbreitet, über Verderbtheit und Eitelkeit, und man erwartet unwillkürlich, dass er jeden Moment die aus »When the Music’s Over« stammenden Zeilen What have they done to the earth? What have they done to our fair sister? von sich gibt.
    2003 ist es mehr als zwanzig Jahre her, dass der Journalist Jerry Hopkins und der zum engsten Freundeskreis der Doors zählende Danny Sugerman in ihrem aufsehenerregenden Bestseller No One Here Gets Out Alive: The Biography of Jim Morrison zynischerweise andeuteten, dass Jim Morrison trotz des Titels ihres Buches gar nicht tot war: dass er, wie Elvis, seinen Tod nur vorgetäuscht hätte, um der Last des Ruhms zu entkommen, ganz zu schweigen von der ihm drohenden Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe, aber dass er zurückkehren würde, dass er eines Tages ...
Anmerkung
– 2003 ist es zwanzig Jahre her, dass James Howard Kunstler, der sich zuvor als Historiker mit dem Generationenkonflikt in den Sixties befasst hatte, die Andeutung von Hopkins und Sugerman aufgriff und seinen nicht minder zynischen Roman The Life of Byron Jaynes veröffentlichte, in dem sich die Jim-Morrison-Figur am Ende nackt auf einem Motorrad blicken lässt. Und es ist zwanzig Jahre her, dass der Jim-Morrison-Doppelgänger Michael Paré, der den lange für tot gehaltenen Sänger Eddie Wilson spielt, am Ende des Films
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