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The Cocka Hola Company: Roman

The Cocka Hola Company: Roman

Titel: The Cocka Hola Company: Roman
Autoren: Matias Faldbakken
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lag reglos da. Simpel kam und ging in den verschiedensten Abständen, damit Lonyl keinen Rhythmus erkennen konnte, aber der Junge saß oder lag da, unverrückbar wie ein Stein. (Simpel hatte keine Möglichkeit, Lonyl von außen zu beobachten, denn sie wohnen in einer Katakombe von Wohnblockwohnung.) Irgendwann blieben Simpel und Motha einen ganzen Abend, ja die ganze Nacht aus dem Haus, ohne Babysitter. Lonyl passte selber auf sich auf. Wenn sie seitdem länger als fünf Stunden am Stück wegwollen, stellen sie Lonyl einfach einen Teller mit Carpaccio und ein Glas Wasser hin; Carpaccio – degeneriertes Schwuchtelfutter, findet Simpel – ist das Einzige, was Lonyl isst. Herausgefunden haben sie das im SLOBODKIN, wo Simpel, Motha, PapaHans und Tiptop fein zum Essen aus waren, am Tag von Lonyls Entlassung aus dem Krankenhaus, am Tag nach der Realisierung von TRAM SLAM (Simpels letztem Projekt). Am Nachbartisch saßen eine hübsche Dame mit Ausschnitt und ein Mann, der offensichtlich sein rechtes Bein dafür hergegeben hätte, um trendy zu wirken. Nachdem er sie über sämtliche Gerichte auf der Speisekarte belehrt hatte, bestellte sie auf seine Empfehlung hin Carpaccio. Als es kam, rutschte Lonyl, der relativ bleich und hinfällig dasaß, von seinem Stuhl und stapfte zu der Dame hin. Zu ihrer Freude, zu des Mannes Abscheu und Simpels Verwunderung legte Lonyl die Hand flach auf ihren Carpaccioteller und blieb stocksteif so stehen. Simpel und Motha blickten einander an, die Dame schlug die Hände zusammen und gluckste, dass ihre Brüste nur so wabbelten – das fiel PapaHans auf –, und Herr Trendy fluchte laut, deutete mit dem Finger auf Lonyl und schaute Simpel an. Simpel & Co. bestellten Carpaccio für das Kind, und seitdem isst es nichts anderes mehr. Wasser ist sein einziges Getränk. Na, egal; erst haben sie den Babysitter gespart, dann auch noch den Kindergarten, denn es kommt ja im Prinzip auf das Gleiche heraus, ob er im Kindergarten dasitzt und glotzt oder zu Hause; sowohl Simpels als auch Mothas Alltag hat das erheblich entlastet, sie können ihren jeweiligen Beschäftigungen in aller Ruhe nachgehen. Vor allem Simpel erlebte während Lonyls apathischer Periode (falls die Diagnose Apathie denn zutreffen sollte) einen erheblichen Aufschwung, was die Anzahl der realisierten Projekte angeht. Einer der Gründe, aus denen Simpel und Motha Lonyl aus dem Kindergarten nahmen, war Nazreen. Er war bis über beide Ohren überzeugter Veganer und litt schon Gewissensqualen, wenn er die anderen Kinder mit ihren Pausenbroten voller Salami, kaltem Braten, Leberpastete und Cervelatwurst an den Tisch brachte. Aber tagaus, tagein für den kleinen Lonyl Rindsfiletscheibchen hübsch auf einem Teller anzurichten, das widersprach seinen Prinzipien dann doch zu sehr. Er beklagte sich empört darüber bei Simpel, lächelte mit makellosen Zähnen und strich sich das schwarze, kurz geschnittene, pomadisierte Haar nach vorn (er sah aus wie ein in Öl getunkter Kormoran). »Prinzipien sind ja okay«, hatte Simpel entgegnet, »und gute Prinzipien respektiere ich auch, nicht alles, was die Idioten sich heutzutage ausdenken, aber gute Prinzipen doch, nur sag mir eins, Nazreen, findest du es nicht auch egal, ob Lonyl zu Hause herumsitzt und glotzt oder hier im Kindergarten herumsitzt und glotzt?« Er sah Nazreen so unbarmherzig hart in die Augen, dass der zu jeder Frage genickt hätte. Und ab diesem Tag ward Lonyl im Kindergarten nicht mehr gesehen. Simpel pflegt jeden Tag ein bisschen mit Lonyl zu plaudern; zum Beispiel sagt er, er solle ruhig Bescheid geben, falls er auf irgendwas Lust hätte. Aber Lonyl hat auf nichts Lust. Und er gab keinen Mucks mehr von sich, bis er sechs war und in die Schule kam.

CATHRINE FÆRØYS ABSCHIEDSBRIEF
    In zwei Tagen – also am Samstag, dem 12. Dezember – wird ein heroingeschwängerter Tiptop auf Simpels Sofa sitzen, Cathrine Færøys Abschiedsbrief in der Hand. Er hat ihn eben aus Lonyls Schultasche gefischt, wo er eigentlich nie hätte landen sollen. Cathrine Færøy ist, nein, war bis vor kurzem Lonyls Lehrerin.

    (Ohne Anrede). Donnerstag, 26. November

    Ich muss die B-Schule verlassen, und ich muss Euch verlassen. Meine Entscheidung steht fest. Jeder Versuch, mich davon abzubringen, kommt zu spät. Dieser Brief ist das Letzte, was ihr für lange Zeit von mir hören werdet.
    Ich habe alles getan, was ich nur konnte, um beliebt zu sein. Ich habe immer den Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Ich
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