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The Cocka Hola Company: Roman

The Cocka Hola Company: Roman

Titel: The Cocka Hola Company: Roman
Autoren: Matias Faldbakken
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physisch deformiert. Obwohl ich rund 50 Zigaretten pro Tag rauche, ist meine Kondition hervorragend. Ich verfluche Simpel, während ich renne, und ich renne, so schnell ich kann. Die Isnesgate runter, sie ist lang und breit. Auf beiden Straßenseiten stehen dreigeschossige Häuser in allerlei Farben. Ich bin fast im Stadtzentrum. Die Isnesgate verläuft gerade. Ich folge den Straßenbahnschienen. Vor kurzem haben sie auf dieser Strecke die Straße aufgerissen, und weil ich jeden einzelnen verfluchten Morgen hier vorbeikomme, habe ich Tag für Tag verfolgen können, wie die Schienen verlegt wurden. Hier renne ich, und ich weiß, worauf. Welche Lagen von was für Material verlegt wurden und in welcher Reihenfolge. Ich weiß, wie tief man ausschachten muss, wie viele Betonschichten gegossen werden müssen, wie der Beton gegen Sickerwasser und Frost geschützt wird, mit welcher Verlegetechnik die Schienen in genau dem richtigen Abstand zueinander platziert werden, exakt in Waage, mit welcher Schweißtechnik sie verbunden werden. Wenn ich den Blick auf eine Stelle weit vor mir richte (um zu vergessen, wie fertig ich bin), dann wirkt es, als ob ich langsam rennen würde. Aber wenn ich auf meine Füße blicke, auf den Boden direkt vor mir, sieht es so aus, als würde ich sehr schnell rennen. Meine Beine schnellen vor und zurück. Fast, als würden sie den Boden gar nicht berühren. Der Asphalt wird nach hinten gezogen. Als hätte er Streifen in Laufrichtung. Jedes Mal, wenn die Beine auf den Straßenbelag treffen, nickt mein Kopf leicht. Ich stelle mir vor, mein Kopf wäre eine distorted camera beim Film. Das Bild, das meine Augen geben, ist distorted . Wenn ich geradeaus blicke, wackelt die Stadt im Rhythmus meiner Schritte. Mein Atem geht staccato. Meine Schritte laufen noch viel schneller als der Atem. Es ist kühl, ich kann mir vorstellen, dass die Atemluft hinter mir und zu beiden Seiten meines Kopfes weiß in der Luft steht. Ich versuche, den schlimmsten Eis- und Matschstellen auszuweichen. Von meinem Herzen höre ich nichts, aber ich bin sicher, dass es rast. Dass es rast, liegt verflucht nochmal nicht an mir selber. Aus zwei Gründen rast es so. Der eine: Allmählich bin ich scheißfertig. Der andere: Ich habe derart Angst, dass ich mir fast in die Hose scheiße. Ich habe mehr Angst, als dass ich fertig bin, darum renne ich weiter. Zum Teufel mit Simpel, dem beschissenen Arschloch! Wenn es nach mir ginge, wäre ich längst stehen geblieben. Es ist nicht meine Entscheidung, dass ich derart die Straße langrenne. Mein Körper rennt. Und mein Körper hat Angst. Er will mich retten. Wenn ich stehen bleibe, geht es mir nämlich noch viel schlechter. Mein Körper gibt vor, was Sache ist, ich folge ihm. Ich habe einen komischen Geschmack im Mund. Das Gefühl breitet sich aus, vom Kinn hin zu der Gegend hinter den Backenzähnen im Unterkiefer, unter der Zunge. Mein Speichel wird dünn, ich schlucke. Das wird Blutgeschmack genannt. Weiß der Teufel, woher der Begriff kommt, es schmeckt gar nicht nach Blut. Ich bin schon über die Überanstrengung hinaus. Ich will nicht weiterrennen, ich renne nicht, weil ich das will, ich hab keine Amphis eingeworfen, ich kann eigentlich gar nicht derart rennen; ich hab nur zwei Pfannkuchen im Magen, aber mein Körper schuftet wie eine Maschine. Ich blicke nach unten und sehe meine Beine rennen, aber ich spüre sie nicht. Keine Ahnung, wo die Milchsäure bleibt. Es läuft. Es läuft vorbei an der ATAMA-BAR, in der Speedo damals an einem Donnerstag vor vier oder fünf Jahren auf mich gewartet hat, als ich mich verspätet hatte, um ein paar Stunden. Er war nervös wie nur was und sein Aschenbecher war voll mit Pall-Mall-Kippen. Ich arbeitete seit vier Monaten für DESIREVOLUTION, und Ritmeester, unser Porno-Ideologe, hatte mich zu dem Treffen mit Speedo geschickt, der sich unserem Konzern anschließen wollte. Keiner wusste, was für ein Projekt er verfolgte. Er kam mir mit allerlei Entschuldigungen zuvor, obwohl ich selber schon eine parat hatte. Sie hätte mehr oder weniger gelautet: »Tut mir Leid, Speedo, aber ich bin oben bei Ritmeester hängen geblieben, du hast ja keine Ahnung, wie schwer man bei dem wegkommt, wenn er mal mit seinen Hirngespinsten anfängt …«, aber Speedo zog in diesem Entschuldigungsduell schneller (so ist er und so ist er immer gewesen, ich hatte nur vergessen, wie schnell er seine Entschuldigungen zur Hand hatte; ich hatte mich verflucht nochmal vorbereitet , um
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