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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Autoren: Samantha Shannon
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bezeichnete Scion als »Imperium im Embryonalstadium«. Das sagten sie jetzt schon so lange, wie ich zurückdenken konnte. Wenn Scion tatsächlich ein Embryo war, wollte ich sicher nicht dabei sein, wenn es aus dem Mutterleib kroch.
    Seit den Anfängen von Scion waren inzwischen fast zwei Jahrhunderte vergangen. Es wurde als Reaktion auf eine angebliche Bedrohung des Empire gegründet. Die Epidemie nannten sie es – eine Epidemie der Hellsichtigkeit. Als offizielles Gründungsdatum galt 1901 , als sie Edward VII . fünf grausame Morde anhängten. Angeblich hatte der blutrünstige König eine Tür aufgestoßen, die nicht wieder geschlossen werden konnte, und damit die Plage der Hellsichtigkeit über die Welt gebracht. Und dass seine Anhänger überall gewesen waren, gemordet und sich vermehrt hatten, indem sie ihre Kraft aus einer Quelle des Bösen gezogen hatten.
    Dann folgte Scion, eine Republik, die gegründet wurde, um diese Krankheit auszurotten. Innerhalb der nächsten fünfzig Jahre entwickelte sie sich zu einer Sehervernichtungsmaschinerie, in der sich jede größere politische Maßnahme auf die Widernatürlichen bezog. Morde wurden nur von Widernatürlichen begangen. Gewaltausbrüche, Diebstähle, Vergewaltigungen, Brandstiftung – alles nur wegen der Widernatürlichen. Parallel dazu entwickelte sich in der Zitadelle das Syndikat der Seher. Eine organisierte Unterwelt entstand und bot den Sehern einen sicheren Hafen. Seitdem arbeitet Scion nur noch härter daran, uns zu vernichten.
    Und wenn sie erst mal die RDT s installierten, würde das Syndikat auseinanderbrechen und Scion hätte seine Augen wirklich überall. Uns blieben noch zwei Jahre, um etwas dagegen zu unternehmen, aber solange Hector Herr der Unterwelt war, glaubte ich nicht, dass etwas passieren würde. Seine Herrschaft hatte uns nichts eingebracht außer Korruption.
    Drei Haltestellen kamen und gingen, ohne dass irgendetwas geschah. Ich hatte gerade das Kapitel zu Ende gelesen, als plötzlich die Lichter ausgingen und der Zug anhielt. Ich begriff vielleicht eine Sekunde vor meinem Mitreisenden, was los war. Er richtete sich steif in seinem Sitz auf.
    »Sie werden den Zug durchsuchen.«
    Ich wollte etwas sagen, um seine Befürchtungen zu bestätigen, aber meine Zunge war völlig taub.
    Schnell schaltete ich das Datenpad aus. In der Tunnelwand öffnete sich eine Tür. Gleichzeitig sprang die Leuchtanzeige im Wagen um – Sicherheitsalarm . Ich wusste, was jetzt kommen würde: zwei verdeckte Wachen auf Streife. Einer war immer der Boss, normalerweise ein Medium. Ich war bisher noch nie in eine Kontrolle geraten, kannte aber nur wenige Seher, die ihnen entkommen waren.
    Mein Herz raste. Hastig sah ich zu dem anderen Passagier hinüber, um seine Reaktion einzuschätzen. Er war ein Medium, wenn auch kein besonders starkes. Woher ich so etwas wusste, ließ sich nur schwer beschreiben … Irgendwie reagierten meine Antennen entsprechend.
    »Wir müssen aus dem Zug raus.« Er stand auf. »Was bist du, Kleines? Ein Orakel?«
    Ich antwortete nicht.
    »Ich weiß, dass du eine Seherin bist.« Er packte den Türgriff. »Komm schon, Kleines, sitz nicht einfach so da. Es muss einen Weg hier raus geben.« Angespannt wischte er sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »Von allen Tagen, an denen sie kontrollieren könnten, muss es ausgerechnet dieser Tag sein … «
    Ich rührte mich nicht. Keine Chance, hier irgendwie rauszukommen. Die Fenster waren extra verstärkt, die Türen abgeriegelt, und uns lief die Zeit davon. Zwei Taschenlampen leuchteten in unseren Waggon.
    Stocksteif saß ich da. Verdeckte Wachen. Sie hatten offenbar eine gewisse Anzahl Seher in unserem Waggon gespürt, sonst hätten sie nicht das Licht abgeschaltet. Dass sie unsere Auren sehen konnten, war klar, aber sie würden außerdem herausfinden wollen, welche Art von Seher wir waren.
    Jetzt betraten sie den Waggon, ein Beschwörer und ein Medium. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, aber die Lampen blieben aus. Zuerst gingen sie zu dem Mann.
    »Name?«
    Er straffte sich. »Linwood.«
    »Grund der Reise?«
    »Ich habe meine Tochter besucht.«
    »Die Tochter besucht. Sind Sie sich sicher, dass Sie nicht auf dem Weg zu einer Séance sind, Medium?«
    Die beiden Wachen waren auf Streit aus.
    »Das Krankenhaus hat mir die notwendigen Papiere ausgestellt. Sie ist schwer krank«, erklärte Linwood. »Ich habe die Erlaubnis, sie einmal pro Woche zu sehen.«
    »Wenn Sie noch einmal die Klappe
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