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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Autoren: Samantha Shannon
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Im Prinzip war ich so etwas wie ein Hacker. Nicht wirklich ein Gedankenleser, mehr eine Art Radar, das im Einklang mit der Funktionsweise des Æthers arbeitete. Ich konnte die feinen Spuren von Traumlandschaften und bösen Geistern spüren. Von Dingen, die außerhalb meines Selbst existierten. Dingen, die ein durchschnittlicher Seher nicht spürte.
    Jax setzte mich als eine Art Überwachungsgerät ein. Mein Job war es, die Aktivitäten im Æther innerhalb seines Sektors zu kontrollieren. Oft ließ er mich andere Seher überprüfen, um herauszufinden, ob sie etwas vor ihm verbargen. Anfangs waren es nur Leute gewesen, die sich mit mir im selben Raum befunden hatten, die ich also hören und berühren konnte, aber ihm wurde schnell klar, dass ich mehr drauf hatte als das. Ich konnte auch spüren, was an anderen Orten geschah: wenn ein Seher die Straße entlangging oder im Garten mehrere Geister aufeinandertrafen. Solange ich maschinell am Leben erhalten wurde, konnte ich den Æther in einem Umkreis von ungefähr eineinhalb Kilometern durchforsten. Wenn er also jemanden brauchte, der ihn über die neuesten Gerüchte in I-4 auf dem Laufenden hielt, konnte man seinen Hintern darauf verwetten, dass Jaxon meine Wenigkeit rief. Er behauptete, ich hätte das Potenzial, den Radius noch zu erweitern, aber Nick ließ es mich nicht versuchen. Wir wussten nicht, was dann mit mir passieren würde.
    Natürlich war jede Form der Seherei verboten, und die Arten, mit denen man Geld verdienen konnte, waren noch dazu als schwere Sünde gebrandmarkt. Es gab sogar einen speziellen Begriff dafür: Denkdelikt , was so viel bedeutet wie Kommunikation mit der Welt der Geister zu kommerziellen Zwecken.
    Und genau auf diesen Denkdelikten war das Syndikat aufgebaut.
    Seherei gegen Bares war unter jenen, die es nicht in eine Gang schafften, weitverbreitet. Wir nannten das Straßenkunst. Scion nannte es Hochverrat. Die offizielle Hinrichtungsmethode für Verbrechen dieser Art war der Erstickungstod durch Stickstoff, das Mittel dafür war unter dem Markennamen NiteKind bekannt. Ich erinnere mich noch an den Slogan: Schmerzlose Bestrafung – das neueste Wunder von Scion! Angeblich dämmerte man dabei weg wie mithilfe eines Schlafmittels. Aber Hochverrat wurde hin und wieder auch noch mit öffentlichen Hinrichtungen durch den Strick oder Folter bestraft.
    Ich beging also schon Hochverrat, indem ich atmete.
    Aber kehren wir zurück zu jenem Tag. Jaxon hatte mich an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und losgeschickt, um den Sektor auszukundschaften. Dabei hatte ich ein vertrautes Bewusstsein gefunden, das oft in Sektor 4 auftauchte. Ich hatte mein Bestes gegeben, um seine Erinnerungen zu sehen, aber irgendetwas hatte mich jedes Mal zurückgewiesen. Diese Traumlandschaft unterschied sich von allem, was mir jemals untergekommen war. Sogar Jax war ratlos. Anhand der vielschichtigen Abwehrmechanismen hätte ich gesagt, sein Besitzer müsse mehrere Tausend Jahre alt sein, aber das war ja nicht möglich. Das hier war etwas Fremdes.
    Jax war ein misstrauischer Mensch. Laut den Regeln hätte ein neuer Seher in seinem Sektor sich innerhalb von achtundvierzig Stunden bei ihm vorstellen müssen. Er behauptete, da müsse eine der anderen Gangs dahinterstecken, aber keiner in I-4 hatte genug Erfahrung, um meine Nachforschungen abzuwehren. Von denen wusste ja niemand, dass ich das überhaupt konnte.
    Es war nicht Didion Waite, der die zweitgrößte Gang in dieser Gegend anführte. Und es waren nicht die halb verhungerten Straßenkünstler, die sich in unserem Viertel herumtrieben. Auch keiner der territorial orientierten Denkerfürsten, die sich auf Diebstahl im Æther spezialisiert hatten. Das war etwas anderes.
    Hunderte von feinen Silberblitzen zogen an mir vorbei, jeder ein fremdes Bewusstsein. Sie bewegten sich ebenso schnell durch die Straßen wie ihre Besitzer. Keinen dieser Leute erkannte ich. Ich konnte ihre Gesichter nicht sehen, wurde nur kurz von ihrem Bewusstsein gestreift.
    Ich war nicht mehr in unserem Viertel, sondern etwas weiter nördlich, auch wenn ich nicht genau sagen konnte, wo. Vorsichtig folgte ich dem vertrauten Gefühl der Gefahr. Das Bewusstsein des Fremden war ganz in der Nähe. Es führte mich durch den Æther wie ein Leuchtfeuer, tauchte immer wieder zwischen den anderen auf. Dabei bewegte es sich schnell, als wäre der Fremde sich meiner Anwesenheit bewusst. Als würde er versuchen, vor mir davonzulaufen.
    Ich sollte diesem Licht
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