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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Autoren: Samantha Shannon
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ausgetrocknet.«
    »Mir kommen gleich die Tränen. Du kennst das Prozedere: Jax gibt die Befehle, wir befolgen sie, wir kriegen unsere Kohle. Wenn dir das nicht passt, kannst du ja für Hector arbeiten.«
    Touché.
    Beleidigt reichte Dani mir meine abgewetzten Lederstiefel. Ich zog sie an. »Wo sind die anderen?«
    »Eliza schläft. Sie hatte einen Anfall.«
    Anfall sagten wir nur, wenn einer von uns knapp einer lebensbedrohlichen Begegnung entkam – was in Elizas Fall eine unerwünschte Besessenheit sein musste. Besorgt sah ich zu der Tür hinüber, hinter der ihr Atelier lag. »Geht es ihr gut?«
    »Ein bisschen Schlaf, dann wird sie wieder.«
    »Ich nehme mal an, Nick hat sie sich angesehen.«
    »Ich habe ihn angerufen. Er ist immer noch mit Jax im Chat ’ s . Aber er meinte, er würde dich um halb sechs zu deinem Dad fahren.«
    Das Chateline ’ s war eines der wenigen Restaurants, die uns offen standen, eine stilvolle Bar in Neal’s Yard. Der Besitzer hatte einen Deal mit uns. Wir gaben reichlich Trinkgeld, dafür verriet er der Nachtwache nicht, was wir waren. So war das Trinkgeld meistens höher als die eigentliche Rechnung, aber das war es uns wert, um mal ausgehen zu können.
    »Dann verspätet er sich also«, stellte ich fest.
    »Wurde wohl aufgehalten.« Dani griff nach ihrem Telefon.
    »Ist nicht nötig.« Ich stopfte meine Haare unter die Mütze. »Ich will sie nicht bei ihrem Geplänkel stören.«
    »Aber du kannst nicht mit der Bahn fahren.«
    »Kann ich wohl.«
    »Wenn du dir unbedingt dein eigenes Grab schaufeln willst … «
    »Wird schon schiefgehen. Auf der Linie haben sie seit Wochen nicht mehr kontrolliert.« Ich stand auf. »Frühstücken wir am Montag zusammen?«
    »Vielleicht. Kann sein, dass ich dem Scheusal noch Überstunden schulde.« Sie sah auf die Uhr. »Du solltest gehen, es ist schon fast sechs.«
    Sie hatte recht. Mir blieben nicht mal mehr zehn Minuten, um zur Haltestelle zu kommen. Schnell griff ich nach meiner Jacke und lief zur Tür, wobei ich dem Geist in der Ecke ein flüchtiges »Hi, Pieter« zurief. Seine Antwort bestand in einem sanften, gelangweilten Glühen. Sehen konnte ich den Funken nicht, aber spüren. Pieter war mal wieder deprimiert. Manchmal tat er sich schwer damit, tot zu sein.
    Im Umgang mit Geistern gab es feste Regeln, zumindest in unserem Sektor. Nehmen wir einmal Pieter, einen unserer helfenden Geister – oder Musen, wenn man den Fachausdruck bevorzugt. Eliza ließ ihn in ihren Körper einfahren, normalerweise in Schichten von ungefähr drei Stunden pro Tag, während denen sie dann ein Meisterwerk malte. Wenn sie fertig war, zog ich los und verscherbelte es an nichts ahnende Kunstsammler. Pieter war allerdings etwas launisch. Manchmal bekamen wir monatelang kein Bild.
    In einem Unterschlupf wie unserem war kein Platz für Moral. So etwas passiert eben, wenn man eine Minderheit in den Untergrund zwingt. Wenn die Welt derart grausam ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als irgendwie klarzukommen. Zu überleben und ein bisschen Geld zu machen, um auch im Schatten des Archonitats in Westminster zu gedeihen.
    Mein Job – und mein Leben – war fest mit unserem Viertel verbunden, mit Seven Dials. Laut dem einzigartigen System, mit dem Scion die Stadt aufgeteilt hatte, lag es in Parzelle I, Sektor 4, kurz I-4. Es erstreckte sich rund um eine markante Säule an einer Straßenkreuzung, die ganz in der Nähe des Schwarzmarkts am Covent Garden lag. An dieser Säule waren sechs Sonnenuhren angebracht.
    Jeder Sektor verfügte über einen eigenen Denkerfürsten oder eine Denkerkönigin. Gemeinsam bildeten sie die Versammlung der Widernatürlichen, die angeblich über das Syndikat herrschte, aber eigentlich tat jeder von ihnen in seinem Sektor genau das, was er wollte. Seven Dials lag in der Zentralparzelle, wo das Syndikat am stärksten war. Deswegen hatte Jax dieses Viertel gewählt. Und deshalb blieben wir hier. Nick war der Einzige von uns, der eine eigene Wohnung hatte, sie lag etwas weiter nördlich in Marylebone. Die benutzten wir aber nur im Notfall. In den drei Jahren, die ich schon für Jaxon arbeitete, hatte es nur einmal einen solchen Notfall gegeben, als die Nachtwache, die Night Vigilance Division, kurz NVD , in Seven Dials eine Razzia veranstaltet hatte, um auch noch den letzten Seher aufzuspüren. Zwei Stunden bevor es losging, hatten wir einen Tipp von einem Kurier bekommen. Wir brauchten nur halb so lange, um alles zu räumen.
    Draußen war es
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