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Texas

Texas

Titel: Texas
Autoren: James A. Michener
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Maultiere aus den Augen verlor. Sein Herr begann ihn zu schlagen. Sofort war Cabeza de Vaca vorgesprungen, hatte den Alten am Arm gepackt und ihn gewarnt: »Wenn Ihr den Jungen noch einmal schlagt, töte ich Euch!«
    Als der alte Maultiertreiber von Garcila9o abgelassen hatte, nahm der Junge allen Mut zusammen und fragte seinen Retter, wie er eigentlich zu seinem merkwürdigen Namen »Kuhkopf« gekommen sei.
    »Im Jahre 1212«, erklärte Cabeza de Vaca, »zeigte einer meiner Vorfahren, ein Bauer, dem König Sancho, wie ein Sieg über die Mauren errungen werden könnte, wenn sich die Spanier über einen unbewachten Weg an den Feind heranpirschen und die Ungläubigen mit einem Überraschungsangriff in die Flucht schlagen würden. Um diesen Weg zu kennzeichnen, schlich mein Vorfahr sich in das von den Mohren besetzte Gebiet und legte den Kopf einer Kuh an die Stelle, wo der Weg begann. Im Morgengrauen liefen unsere Männer zu dem Schädel, rannten den Weg entlang und errangen einen großen Sieg, der unseren Teil Spaniens befreite. Der König rief den Bauern zu sich und sagte: >Knie nieder, Bauer Alhaja! Erhebe dich, Edelmann meines Reiches, Cabeza de Vaca!<«
    Von nun an marschierten sie stets an der Spitze des Zugs nebeneinander her, ein kleiner Mestizenjunge und ein grauhaariger spanischer Veteran, und Cabeza erzählte Garcilaço seine erstaunliche Geschichte: »Ich war viele Jahre lang ein Sklave. Ich wurde geschlagen und in Dornbüsche gejagt, um Beeren zu pflücken. Nachts weinte ich, weil meine Wunden schmerzten und ich alle Hoffnung verloren hatte. Ich weiß, was Sklaverei bedeutet, und ich werde nicht zulassen, daß dieser Mann dich wie einen Sklaven behandelt.«
    »Haben Piraten Euch gefangengenommen?« fragte Garcila9o.
    »Schlimmer«, antwortete Cabeza, »wilde Indianer. Ich verließ Spanien im Jahre 1527. Damals war ich siebenunddreißig Jahre alt. Wir unterbrachen die Fahrt in Cuba und erforschten anschließend Florida. Wir verloren unsere Schiffe und segelten dann mit einem Boot nach Westen weiter, das hauptsächlich aus den Häuten unserer Pferde bestand, die wir gegessen hatten. Wir wollten uns unseren Freunden in Mexico anschließen. Aber am sechsten Tag des November 1528 erreichten wir eine Insel. Wir nannten sie Malhado. Wir waren dreiundneunzig Männer und ließen unser Boot dort auf Strand laufen.
    Ein Unglück beraubte uns unserer Kleidung und unseres Bootes, als wir es wieder zu Wasser lassen wollten. Wir waren völlig nackt, als ein gräßlicher Nordwind losbrach. Bereits nach wenigen Tagen waren nur mehr sechzehn von uns am Leben. Wir wurden von Indianern gefangengenommen und in zwei Gruppen aufgeteilt. Die größere Gruppe wurde nach Süden in Marsch gesetzt, ich aber blieb am Nordende der Insel, zusammen mit einem äußerst unangenehmen Mann namens Oviedo. Bei unseren früheren Reisen hatte er sich als der stärkste von uns erwiesen, aber in der Gefangenschaft verlor er seine ganze Willenskraft. Mit einem Mal fürchtete er sich vor allem. In den vielen Jahren, die wir auf der Insel verbrachten, habe ich ihn oft aufgefordert, mit mir zu fliehen, aber er hatte zu große Angst. So lebten wir dahin, Junge. In den schrecklichen Wintermonaten bestand unsere Nahrung aus nichts anderem als Austern, von denen es dort wimmelte. Im
    Frühjahr aßen wir nur Schwarzbeeren. Die schönsten Monate waren noch die, in denen wir ins Landesinnere gehen und uns mit Opuntien vollstopfen konnten. Im Herbst ernährten wir uns von Pekannüssen, die es in Spanien nicht gibt. Wunderbar! Aber wenn das Jahr zu Ende ging, entstand eine Lücke zwischen den Nüssen und dem Anfang der Austernzeit.«
    »Was habt ihr da gemacht?«
    »Ein paar Fische gefangen. Aber die meiste Zeit hungerten wir.«
    »Woher wußtet Ihr, wo Ihr wart? Ihr hattet doch keine Karten.«
    »Die Sterne haben mir angezeigt, wie hoch im Norden wir waren.«
    Von Guadalajara aus schlugen sie die Straße zur Hauptstadt ein. Eines Tages sagte der Junge: »Die Sterne scheinen dir alles verraten zu haben.« Cabeza de Vaca nickte.
    »Könnte auch ich ihre Geheimnisse erforschen?«
    »Die Sterne ziehen nachts auf, um allen zu dienen.«
    An schönen Abenden, wenn sie ausruhten, lehrte nun der spanische Seefahrer den kleinen Mestizenjungen, wie die Sternbilder hießen; wie ein Bauer an ihnen ablesen konnte, wann die Saatzeit gekommen war und wie ein Reisender mit ihrer Hilfe seinen Standort errechnen konnte.
    Es war im Juni, und sie befanden sich schon ein gutes
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