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Texas

Texas

Titel: Texas
Autoren: James A. Michener
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wir in der nun folgenden Stille auf den gutaussehenden jungen Mann.
    Die Geschichte Texas’ schien in eine schattenhafte Periode zu entschwinden, von der wir uns nie eine Vorstellung gemacht hatten. Aber Garza hielt noch eine weitere Überraschung für uns bereit. »In seinen späteren Jahren machte dieser Maultiertreiber einige Aufzeichnungen über seine frühen Abenteuer, und.«
    »Aber Sie sagten doch, er war Analphabet«, unterbrach ihn Quimper.
    Garza nickte. »Erst mit einunddreißig lernte er schreiben.«
    »Hat ihm vielleicht seine Frau das Schreiben beigebracht?« fragte Rusk amüsiert.
    »Sie kauften sich einen gebildeten schwarzen Sklaven aus Cuba.«
    »Sie sagten doch, er war arm!« wandte Quimper ein.
    Offenbar würde in diesem Ausschuß nichts unwidersprochen bleiben. Doch wieder nickte Garza. »Das war er ursprünglich
    auch. Und wie er zu seiner Frau, zu seinem Geld und zu seiner Bildung kam, ist eine außerordentliche Geschichte.«
    »Diese Geschichte würde ich gern hören«, sagte Miss Cobb. Wir alle stimmten ihr zu.
    EIN LAND AUS VIELEN LÄNDERN
    An einem dunstigen Novembertag des Jahres 1535 trieb ein stämmiger Junge im mexikanischen Hafen Vera Cruz seine Maultiere zum Ufer, wo Schleppkähne Güter von vor Anker liegenden Frachtschiffen an Land brachten, und wieder zurück. Der Junge hieß Garcila9o und war zehn Jahre alt, »aber schon bald elf«, wie er jedem erzählte, der es hören wollte.
    Der uneheliche Sohn einer indianischen Mutter und eines rebellischen spanischen Soldaten, den man noch vor der Geburt seines Kindes exekutiert hatte, war in ein Heim gesteckt worden, das die örtliche Geistlichkeit unterhielt; sobald er alt genug zum Arbeiten war, hatte man ihn einem schurkischen alten Maultiertreiber übergeben. Das geschah, als er acht Jahre alt war, und seitdem hatte er nichts anderes getan als gearbeitet.
    Von seinem Vater hatte Garcila9o einen Körperbau geerbt, der etwas schwerer war als der eines durchschnittlichen Indianers; von seiner Mutter die glatte braune Haut und das schwarze Haar, das ihm über die Stirn fiel und fast die Augen erreichte. Und aus irgendeiner geheimen Quelle hatte er ein sanftes Gemüt und einen beharrlichen, unverbesserlichen Optimismus erworben.
    An diesem heißen Morgen hatte sein Herr den Auftrag erhalten, die Maultiere unverzüglich in die etwa fünfhundert Kilometer entfernte Stadt Mexico zu führen. Während Garcila9o die beladenen Tiere auf den langen und mühseligen Weg durch die Dschungel des Flachlandes brachte, tröstete er sich mit dem Gedanken, daß er bald die majestätischen Vulkane der Hochebene und die aufregenden Straßen der Hauptstadt sehen würde.
    Der Weg von Vera Cruz hinauf war für Garcila90 jedesmal eine Mischung aus Schinderei und Freude. Zwar kostete es den Jungen große Mühe, den Dschungel auf den unbefestigten Pfaden zu durchqueren, aber es war auch reizvoll, neben den Vulkanen dahinzuwandern und die Stadt Mexico in der Ferne leuchten zu sehen, zumal da er wußte, daß er in der Hauptstadt auf ein paar Tage Ruhe und reichlicheres Essen hoffen durfte.
    Als er sich der Stadt diesmal näherte, fiel ihm die ungewohnt große Zahl von Reisenden auf, die alle in der gleichen Richtung unterwegs waren. Als er nach dem Grund fragte, erhielt er die Auskunft: »Morgen gibt es ein großes Autodafé.«
    Ein offizielles, in Spanien mit allem Prunk abgehaltenes Autodafé war die verschwenderische öffentliche Zurschaustellung der religiösen wie der irdischen Macht der katholischen Kirche, ihrer Entschlossenheit, jede Abweichung vom wahren Glauben mit der Wurzel auszurotten. Ein Autodafé bestand aus marschierenden Soldaten, einer Musikkapelle, einer Parade von Geistlichen in verschiedenfarbigen Talaren, dem Erscheinen des Bischofs auf einem Tragsessel, von vier Negersklaven getragen, und schließlich dem Auftreten eines Scharfrichters, dem, in Ketten gelegt, die Apostaten, die an diesem Tag verbrannt werden sollten, folgten.
    In Mexico jedoch war ein Autodafé in jenen frühen Jahren eine viel einfachere Angelegenheit; diesmal, so erfuhr Garcila9o, als er in die Stadt kam, sollten zwei Männer hingerichtet werden. »Der eine«, erklärte man ihn, » - er kommt aus Puebla - hat sich richtig verhalten. Er hat seinen ketzerischen Verirrungen abgeschworen, hat darum gebeten, in den Armen der Kirche sterben zu dürfen, und wird daher gnadenhalber vom Scharfrichter erwürgt werden, bevor man den Scheiterhaufen anzündet.«
    »Das ist gut für
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