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Texas

Texas

Titel: Texas
Autoren: James A. Michener
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lagen und für die er nichts mehr tun konnte. Ich hegte diese Befürchtung nicht, denn mir war klar, daß unsere Heilkräfte sich für uns als Passierschein in die Freiheit erweisen konnten.
    Als wir uns eines Tages einem neuen Dorf näherten, brachten mich weinende Frauen zu einem Mann, der im Sterben lag. Seine Augen waren verdreht, und ich konnte keinen Pulsschlag spüren. Ich wollte ihm seine letzten Stunden so angenehm wie möglich machen. So legte ich ihn auf eine saubere Matte und betete zu Gott, er möge ihm Frieden schenken.
    Am späten Nachmittag kamen die Indianerinnen gelaufen -lachend und weinend und jubelnd, denn der Sterbende war plötzlich von seiner Matte aufgestanden, war herumspaziert und hatte nach Essen verlangt. Das rief großes Erstaunen hervor, und in der ganzen Gegend wurde von nichts anderem gesprochen. In den folgenden Tagen kamen Indianer aus vielen Orten zu uns; sie tanzten und sangen und priesen uns als Sonnenkinder. Sie machten einen Gott aus mir, aber ich lehnte eine Vergötterung dieser Art ab. Wenn ich eine Heilung bewirkt hatte, so dank Gott nicht durch mein Eingreifen. Ich weigerte mich, heidnische Indianer in ihrem Aberglauben zu bestärken. Andererseits waren wir auf unsere Wunderheilungen angewiesen. Deshalb beschlossen wir Weißen, daß Esteban der Arzt sein sollte, weil er keine solchen religiösen Skrupel hatte. Kein Mensch hat je eine Beförderung mit freudigerer Zustimmung aufgenommen und sein Amt mit größerer Vollkommenheit versehen .«
    Er rief nach Estaban. Der bestätigte Cabezas Erzählung. »Ich begann mein Leben als Sklave in Marokko. In Spanien wurde ich an Dorantes verkauft. In Cuba und Florida und unter den Indianern war ich immer noch ein Sklave - bis ich zum Medizinmann gemacht wurde. Ich holte mir von den Indianern zwei Kürbisschalen und ein paar Truthahnfedern und stellte mich ihnen als Heilkundiger vor.«
    »Er war wunderbar«, sagte Cabeza. »Immer wenn wir zu einem neuen Dorf kamen, schickten wir ihn voraus; tanzend und springend ging er auf die Bewohner zu und sang indianische Lieder. Er ratterte mit seinen Kürbisschalen, sprach Zauberformeln, kurierte alte Frauen und gewann die Herzen kranker Kinder mit seinem strahlenden Lächeln. Und weil die Frauen ihn liebten, hatte er bald einen Harem von anfangs einem Dutzend, dann mehreren Dutzenden und schließlich, so unglaublich es klingt, von mehr als hundert Frauen, die ihm von einem Dorf zum nächsten folgten.«
    Esteban fügte hinzu: »Ich liebte die Frauen, aber ich wußte auch, daß wir etwas zu essen brauchten. Deshalb ließ ich sie nur dann mit mir kommen, wenn sie uns etwas Gutes zu essen brachten - etwas anderes als Austern und Schwarzbeeren. So lebten wir vier von meiner Tanzerei.«
    Immer wenn Cabeza de Vaca von seinen Abenteuern im Norden sprach, beschrieb er auch die Landschaft, in der ein bestimmtes Abenteuer sich ereignet hatte. »Señor Cabeza«, sagte Garcila9o einmal, »Ihr sprecht immer von einem Land, aber dabei beschreibt Ihr viele verschiedene Länder.« Der Spanier lachte. »Du bist ein aufmerksamer kleiner Bursche. Ja, ich spreche tatsächlich von vielen verschiedenen Ländern. Das ist ja das Wunderbare da oben. Entlang der Küste, wo ich mich zuerst aufhielt, gibt es mächtige Sanddünen und Moore mit vielen Vögeln. Landeinwärts ein wogendes Meer von Gras mit kaum je einem Baum. Weiter im Westen hügeliges Gelände und Eichenwälder, schöner als alle, die ich in Spanien gesehen hatte. Nach den Hügeln, die von vielen Flüssen durchschnitten werden, kommen die riesigen leeren Ebenen, auf denen nicht einmal Kakteen wachsen. Dann wieder Hügel und schließlich Berge und die Wüste.«
    Er schloß die Augen. »Ich sehe noch alles vor mir, Junge. Die Jahre waren grausam, aber auch wunderbar. Wenn du jemals die Möglichkeit hast, dort hinauf zu reisen, wirst du ein Land vor dir sehen, das aus vielen Ländern besteht.«
    Von diesem Augenblick an kannte Garcila9o nur mehr ein Ziel: dieses »Land aus vielen Ländern« zu besuchen. Der Pazifische Ozean war vergessen.
    Am nächsten Tag erzählte Cabeza weiter: »Als wir drei Weißen eines Abends mit Estebans Frauen plauderten, machte eine von ihnen eine Bemerkung, die mich aufhorchen ließ: >Fünfzehn Tagereisen nach Norden liegen die Sieben Städte. Meine Mutter hat sie gesehen, als sie noch ein kleines Mädchen war.< In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen, denn schon als Kind hatte ich von heiligen Männern reden hören, die aus Spanien
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