Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
Vom Netzwerk:
Schwierigkeiten machen.»
    Laubmann war durchaus willens, bei der Einhaltung der ihm aufgegebenen Kurverordnungen tapfer zu sein, auch wenn er sich dabei wieder würde entkleiden müssen. Nur das mit dem Übergewicht wollte er nicht so einfach auf sich sitzen lassen.
    Ein Dünner, meinte er, werde wesentlich seltener auf seine Feingliedrigkeit angesprochen als ein Dicker auf seine Körperfülle. Dabei sei das Schlanksein hauptsächlich eine Modeerscheinung und allein deshalb moralisch bereits verwerflich. Und nehme einer ab, werde er trotzdem beständig mit seinem früheren Gewicht konfrontiert, nur eben belobigend und verbunden mit der Frage, wie viel er denn schon abgenommen habe. «Ich verzichte auf das Lob beim Abnehmen, wenn dafür die negativen Bewertungen gegenüber meiner Leibhaftigkeit eingestellt werden.» Allein den Gedanken, dass die körperliche Expansion mit dem Ausfallen der Haare zu vergleichen sei, weil man in beiden Fällen von vorneherein auf der Verliererseite stehe, sprach er mit Rücksicht auf sein Gegenüber nicht aus.
    Der Badearzt nahm die Suada des Moraltheologen ungerührt zur Kenntnis und versicherte ihm, dass er das Gewicht seines Patienten dennoch im Auge behalten und ihn bei nächster Gelegenheit wieder darauf ansprechen werde.

II
    ALLE ANWESENDEN MITGLIEDER trugen die gleiche Tracht: ein schlichtes, taubenblaues Kostüm, bestehend aus einer Jacke und einem knielangen Rock ohne Seitenschlitz, dazu eine weiße Bluse und eine Haube, welche die Haare bedeckte und wie ein Schleier nach hinten fiel.
    Schon seit Jahrzehnten benutzten sie sowohl für ihre regelmäßigen als auch für ihre außerplanmäßigen Versammlungen den Namen «Concilium». Sie saßen um den langen, viereckigen Tisch in der Mitte des Spiegelsaals. Die Bezüge der Stühle mit den hohen Lehnen waren zerschlissen.
    «Wir werden bei allem zu bedenken haben, dass wir unsere Gemeinschaft weiterentwickeln müssen. Im Geiste unserer christlichen Ideale und getreu unseren Gelübden.» Margaretes Worte sollten überzeugend klingen.
    Die Frauen des Säkularinstituts Christen in der Welt schwiegen einen Moment. Sie waren es gewohnt, Worte einsinken zu lassen und nicht sofort zu widersprechen.
    «‹Weiterentwickeln› – heißt das unbedingt Veränderung?» Die amtierende Leiterin Gertrud Steinhag stellte diese Frage wenig zurückhaltend, eher aggressiv, obwohl das sonst nicht ihre Art war. Doch alle wussten, dass ihr tiefgreifende Veränderungen ein Gräuel waren.
    Sie war 66, wirkte aber alterslos. Ihre rosige Gesichtsfarbe, die sich von dem taubenblauen Kostüm und den grau blauen Augen abhob, war zugleich Ausdruck ihrer Gesundheit wie auch ihrer Anspannung. Denn die Spannungen unter den Anwesenden waren nicht zu verleugnen.
    Im heutigen Concilium, dieses Mal in kleiner Besetzung, sollten die Vorbereitungen zur Neuwahl der Leiterin im kommenden Monat besprochen werden. Die Wahl galt für die nächsten vier Jahre.
    Die Gegenkandidatin, Margarete Müller, war gleichfalls über 60. Schlank, lebhafte Augen, eine zierliche, gerade Nase; die graublonden Haare waren unter der Haube verborgen.
    Sie gab sich im Ton bestimmend, verbarg nur mühsam ihre Unruhe und ihren Zorn. «Ich kandidiere für die Wahl, weil ich unser Institut in seiner Kernausrichtung bewahren will. Und dazu dürfen wir vor einschneidenden Veränderungen nicht zurückschrecken.» Margarete war sich darüber im Klaren, dass die bisherige Leiterin nicht leicht aus ihrem Amt zu verdrängen sein würde.
    Das Säkularinstitut lag in einem Seitental des Bruderwalds und somit deutlich außerhalb der Stadt, aber noch innerhalb der Stadtgrenze Bambergs. Ein ehemaliges Wasserschloss mit verfüllten Gräben; eine Dreiflügelanlage. Gelblich gestrichen.
    Gabriela Schauberg sah von ihrem Platz aus durch eines der Saalfenster auf den Schlosspark. Die barock gerahmten Spiegel zwischen den Fenstern waren trüb geworden. Der Deckenstuck wies mehr als haarfeine Risse auf. Gabriela konnte den Gärtner des Instituts erkennen, der nahe bei einem zerfallenden Monopteros – einem in der Form eines runden Säulentempels gestalteten Pavillon – Hecken ausgrub, um einen Rosengarten anzulegen.
    Sie hatte, trotz ihrer 68 Jahre, ein fast faltenfreies Gesicht, einen offenen Blick und, ähnlich wie Margarete, eine zierliche, gerade Nase. Obwohl sie die Notwendigkeit der von Margarete Müller angestrebten strukturellen Revision verstand, wollte sie weniger hart vorgehen. Ihre Stimme würde die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher