Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
Vom Netzwerk:
Gegenkandidatin daher nicht erhalten.
    «Jede von uns – das betrifft auch unsere auswärtigen Mitglieder – kann ihre Entscheidung in aller Ruhe überdenken. Wir haben bis zum Wahltermin ja noch ein paar Wochen Zeit.» Mit dieser Erklärung hätte Gertrud Steinhag das Concilium gerne vorzeitig beendet, doch die anderen Frauen gingen nicht darauf ein.
    Nicht Gabriela Schauberg, nicht die junge Agnes Zähringsdorf, nicht die Seniorinnen des Instituts, Kunigunda Mayer und Dorothea Förnberg, beide weit über 80, und erst recht nicht Margarete Müller.
    «Ich finde, wir sollten nicht unser Institut, sondern unsere Lebensgestaltung erneuern, indem wir uns stärker auf das Gebet und den Gottesdienst besinnen; ansonsten wird unser Wirken in der Welt zur Farce.» Ihre zischende Aussprache kostete Agnes Zähringsdorf jedes Mal Sympathien. Mit ihrer Körpergröße überragte die 25-Jährige die Übrigen sogar im Sitzen. Sie hatte lindgrüne Augen. Kräftige Wangenknochen traten in ihrem mageren Gesicht hervor.
    Margarete Müller vergaß die gewohnte Zurückhaltung im Umgang miteinander nun doch ganz und gar: «Du hattest schon immer einen Hang zum Klösterlichen, liebe Agnes. Wir aber sind ein Säkularinstitut, und unser Platz ist in der Welt. Vielleicht solltest du dir überlegen, in einen Orden zu wechseln. Das würde manches für uns erleichtern.»
    «Ich lasse mich nicht einfach hinausdrängen, nur weil dir meine Frömmigkeit nicht liegt. Und um ganz offen zu sprechen: Ich fühle mich hier im Institut manchmal bedroht!»
    «Was willst du damit andeuten?»
    «Dass ich so manches Mal Angst habe, wenn ich so allein durch die Korridore gehe oder mich allein in meinem Zimmer aufhalte, sogar im Park.» Agnes Zähringsdorf war bemüht, das Zittern ihrer Hände zu verbergen. Die ängstliche Aufgeregtheit in ihrer Stimme aber vermochte sie nicht zu unterdrücken.
    Margarete Müller blickte sie böse an. «Du wirst uns doch nicht unterstellen wollen, dass du von irgendjemandem hier im Raum etwas zu befürchten hast?»
    «Ich weiß es nicht. Kannst du's mir sagen?»
    «Du bildest dir was ein und willst uns damit nur beeindrucken – oder beeinflussen. Deine Vorliebe für die Leidensmystik war immer ein unangenehmer Zug an dir.»
    Agnes Zähringsdorf fühlte sich missverstanden und gekränkt. «Deine Kälte, liebe Margarete, die du mit deiner so ‹berühmten› Lebenserfahrung rechtfertigst, hat dich mehr als unempfindlich werden lassen gegenüber Gott und den Menschen. Ich werde es jedenfalls noch sehr zu überdenken haben, ob ich dich wählen werde.»
    «Du kannst mich nicht beleidigen.» Margaretes Antwort klang beinahe hämisch. «Wenn es hier eine Bedrohung gibt, dann geht sie am ehesten von dir aus.»
    Die beiden Seniorinnen hatten der Lautstärke wegen, die das Gespräch angenommen hatte, ihre Hörgeräte genauer eingestellt und rückten ihre Brillen zurecht. Sie nickten zustimmend. Es war jedoch nicht klar, wem ihre Zustimmung galt. In Gespräche brachten sie sich nur selten ein und redeten dann gleichsam bloß mit einer Stimme. Von allen wurden sie gesiezt und sie verzichteten auch untereinander auf das Du, obgleich sie sich mit den Vornamen ansprachen.
    Gertrud Steinhag fühlte, dass sie als Leiterin die Wogen glätten müsste, doch sie schwieg betreten. Auch sie musste sich eingestehen, dass sie Angst hatte.
    Gabriela Schauberg hingegen wollte nicht schweigen. «Ich möchte euch ja nicht noch mehr aufregen, aber ich muss zugeben, dass mir der Aufenthalt im Institut oder im Park draußen ähnlich furchteinflößend geworden ist wie unserer Agnes. Ich fühle mich hin und wieder richtiggehend belauert, als würde jemand nur auf den passenden Moment warten, um uns bei unseren Entscheidungen Hindernisse in den Weg zu legen – oder Schlimmeres.»
    Gertrud Steinhag nickte still und bedächtig, als würde sie Gabriela zustimmen, aber sie äußerte sich wiederum nicht.
    «Ihr seid wirklich hysterisch», schimpfte Margarete Müller und fügte maliziös hinzu: «Es geht nicht um eure privaten Ängste, sondern um rein sachliche Entscheidungen. Und falls ich ins Leitungsamt berufen werde, möchte ich, dass unsere Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen werden. Ansonsten werde ich vom Veto-Recht der Leiterin Gebrauch zu machen haben.»
    An diesem Aprilvormittag, dem Mittwoch nach Ostern, war es draußen zwar wärmer geworden, aber die dicken Schlossmauern hielten noch die Kälte des Winters in sich. Die Frauen im Spiegelsaal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher