Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
Vom Netzwerk:
nehmen mussten, zu bewegen hatten; denn darauf waren die Spuren bereits gesichert.
    Gleichfalls noch in der Nacht war die Leiche zur rechtsmedizinischen Untersuchung weggebracht worden. Der zuständige Pathologe Dr. Viktor Radetzky, der immer wie ein flüchtiger Schatten wirkte, als wäre sein Auftritt ein Symbol für die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins, hatte die Tote am Tatort nur kurz untersucht.
    Bei Morgengrauen war es neblig geworden, und es war kälter als am Vortag. Nach einer längeren Pause hatte die Spurensicherung ihre Arbeit wieder aufgenommen. Die Erkenntnisse wurden sogleich auf Diktiergeräten festgehalten. Die Kommissare Glaser und Lürmann wollten freilich nicht auf den abschließenden Tatortbefundbericht warten und hatten sich schon selber ein Bild gemacht, wenn auch bloß ein vorläufiges.
    Kriminalhauptkommissar Dietmar Glaser, 48, seit elf Jahren verheiratet, zwei Kinder, strich sich ungeduldig über seinen Oberlippenbart, der wie sein Haupthaar zu ergrauen drohte. Sein Kollege, Kriminalkommissar Ernst Lürmann, verfügte hingegen über volles dunkelbraunes Haar, das gelockt war und etwas wirr abstand. Die ungestüme Jugend, dachte Glaser häufig, denn immerhin war der Kollege 16 Jahre jünger als er. Aber während Glaser geradlinig und, wie er von sich glaubte, zu bürgerlich war, verkörperte Lürmann äußerlich und innerlich eine gewisse Widersprüchlichkeit zwischen Versonnensein, ja Fahrigkeit, und Überkorrektheit in dienstlichen Angelegenheiten. Als wollte er das eine mit dem anderen ausgleichen. – Sie waren beide übernächtigt, hatten sie doch nur ein paar Stunden schlafen dürfen.
    Die hochgewachsene Agnes Zähringsdorf hielt sich direkt an der Absperrung auf und versorgte alle Anwesenden mit Tee, Kaffee, belegten Brötchen und Kuchenstücken. Sie hatte an ihrem Standplatz einen Tisch aufgebaut und diesen wie ein Buffet hergerichtet. Warmhaltekannen, Tassen, Teller und Besteck wurden wohlgeordnet bereitgehalten; das gebrauchte Geschirr verschwand in einer gelben Plastikwanne, die mit dem Gelb der Gebäude harmonierte. Die Frauen des Säkularinstituts waren stets auf Gäste eingestellt. Nur zu gern nahmen die emsigen Kriminaltechniker, die dafür immer wieder den abgesperrten Bereich verließen, sowie die uniformierten Damen und Herren der Schutzpolizei, die den Park nach weiteren Spuren absuchten, das Angebot wahr.
    Der altgediente Gärtner des Instituts, Heinrich Kornfeld, der schon über 60 war, verweilte hingegen in gehörigem Abstand zur Tatort-Untersuchung. Er gab sich den Anschein, als würde er den Park pflegen, stützte sich aber nur auf seinen Rechen, um die Vorgänge zu beobachten. Die Dienstwägen der Beamten, die an der alleegesäumten Auffahrt und über dem längst zugeschütteten Wassergraben des Schlosses geparkt waren, störten ihn genauso wie die Beamten selbst oder wie irgendwelche Besucher bei besonderen Feierlichkeiten. Kornfeld befürchtete, die Reifen könnten beim Wenden der Wägen unschöne Fahrspuren im Schotter und im Gras hinterlassen. In solch unübersichtlichen Situationen verlangte es ihn nach einem ParkÜberwachungsdienst. Dabei waren die Beamten doch so sehr darauf bedacht, keine vorhandenen Täterspuren zu zerstören. Das hatten sie sogar ihm eingeschärft, als sie ihn mit seinen Gerätschaften erblickt hatten.
    Die Seniorinnen des Instituts, Kunigunda Mayer und Dorothea Förnberg, hatten wieder ihren Beobachtungsposten am Dachgeschossfenster bezogen. Wenn überhaupt jemand das ungewöhnliche Szenarium überschaute und die Abwechslung zum gemächlichen Alltag trotz aller Trauer genoss, dann sie. Sie verwendeten Sofakissen als Unterlage für ihre Arme und beteten still den Rosenkranz, diesmal eindeutig fürs Seelenheil des verstorbenen Institutmitglieds Margarete Müller.
    Dr. Walther, der Hausarzt des Säkularinstituts, hatte gleich am Morgen einen Hausbesuch gemacht und ihnen kräftigende Kreislaufspritzen verabreicht, damit sie die Folgen der Nacht und die Aufregungen des Tages besser überstehen würden. Sie waren also quicklebendig. Sie hatten in aller Frühe die einheitliche Tracht mitsamt der Haube angelegt und waren in Wolldecken gehüllt.
    Gertrud Steinhag hatte wie die junge Zähringsdorf einen umhangähnlichen Mantel übergestreift, da sie, außer Haus und ein wenig abseits des gesperrten Tatorts, den Kommissaren sowie der Staatsanwältin Verena John Rede und Antwort stehen musste. Glaser hatte vorsorglich einen Regenmantel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher