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Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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froren. Sie mussten sparen. Heißer Tee und Kaffee halfen nicht viel.
    Die Heizungskosten für den Saal, die weitläufigen Korridore, die Bibliothek oder für die über zwei Stockwerke reichende barockisierte Schlosskapelle im gegenüberliegenden Seitenflügel waren zu hoch. Deshalb wurden allein die nötigsten Zimmer und Aufenthaltsräume beheizt. Der offene Kamin im Spiegelsaal war nur mehr Attrappe. Auf dem Dielenboden lagen keine Teppiche.
    Als die Sitzung dann doch ihr Ende gefunden hatte und die meisten Frauen schon gegangen waren, wurde Gabriela Schauberg an der Doppelflügeltür des Saals von Margarete Müller zurückgehalten.
    «Ich hoffe», sagte Margarete vertraulich zu ihr, «mir nimmt niemand meine Schärfe von vorhin übel. Im Grunde möchte ich das gar nicht.»
    «Da wäre ich mir nicht so sicher.»
    «Machst du mir Vorwürfe?»
    «Nein, auch wenn ich nicht deiner Meinung bin.»
    Margarete Müller hielt inne und sah ein wenig bedrückt an Gabriela Schauberg vorbei, die nun endlich gehen wollte. Margarete versperrte ihr jedoch den Weg.
    «Noch auf ein Wort, Gabriela. – Wenn du heute Abend durch den Park gehst, möchte ich mich dir anschließen, um etwas Wichtiges mit dir zu besprechen. Etwas, das mich seit langem belastet. Ich hab's mir in letzter Zeit auch wieder angewöhnt, nachts im Park umherzulaufen; allerdings zu einer anderen Uhrzeit als du, um dich nicht zu stören.»
    «Tut mir sehr leid. Ich bin ja immer gern im Park unterwegs, um meinen Tag Revue passieren zu lassen, aber ich muss gleich wieder zurück nach Bad Kissingen. Ich bin schließlich erst seit vorgestern zur Kur dort; wegen meiner Herzbeschwerden, wie du weißt. Das bedeutet immerhin eine Stunde Fahrzeit.»
    Margarete wartete einen Moment, trat sodann enttäuscht zur Seite und gab den Weg frei.

III
    IHR SCHREI WAR NOCH NICHT VERKLUNGEN, als der Faustschlag sie im Gesicht traf und ihr die Sinne schwanden. Sie merkte nicht, wie sie zu Boden fiel und wie ihr Körper in der Dunkelheit über das Gras gezogen wurde. Sie spürte am Ende nur noch die Kälte des Wassers, das über ihr zusammenschlug, spürte, dass ihre Hände wie Fremdkörper an einem Kleidungsstück zerrten, sowie die ungeheuere Last auf ihrem Brustkorb und die Todesangst, zu ersticken.
    Die Vögel waren mit dem Ende des Tageslichts bereits verstummt; doch auch die altersschweren Bäume des Schlossparks schienen reglos zu sein und kein durch den leichten Wind ausgelöstes Knarren mehr zuzulassen. Aber die pietätvoll wirkende Stille, die auf den verzweifelten Schrei gefolgt war, dauerte nur kurze Zeit an.
    Denn gar nicht lange nach diesem Schrei, der bis ins Schloss vorgedrungen war, wurde es dort in Zimmern und Gängen hell. Durch die rückwärtige Tür des linken Gebäudeflügels kam die Leiterin des Säkularinstituts, Gertrud Steinhag. Sie schwenkte den Strahl einer lichtschwachen Taschenlampe in Richtung des Parks, der sich hinter dem Schloss erstreckte. Dieser ausgedehnte Landschaftspark, in dem vor allem Linden und Kastanien standen, war von einem durch Rost arg angegriffenen grobmaschigen Drahtzaun umgeben. Doch eigentlich wurde der Park vom Wald jenseits des Zaunes begrenzt, denn der Zaun sollte nur das Wild abhalten. Linker Hand verlief zwischen Zaun und Wald ein Feldweg.
    Die junge Agnes Zähringsdorf, die dem Säkularinstitut erst seit einigen Jahren angehörte, begleitete Gertrud Steinhag. Sie hatte gleichfalls eine Taschenlampe bei sich, die freilich genauso wenig Licht abgab wie diejenige der Leiterin. Die beiden Frauen in der ordensähnlichen taubenblauen Tracht mussten sich deshalb mehr auf ihre Ortskenntnisse denn auf das Lampenlicht verlassen, als sie in der beklemmenden Dunkelheit vorwärtsschritten.
    Von einem der Fenster des Dachgeschosses über dem Spiegelsaal aus folgten die Seniorinnen des Instituts den Frauen im Park mit neugierigen Blicken. Kunigunda Mayer und Dorothea Förnberg hatten, da sie vorher schon zu Bett gegangen waren, Morgenmäntel über ihre Nachtgewänder gestreift und es sich an dem geöffneten Fenster bequem gemacht. Die Hauben hatten sie nicht extra aufgesetzt. Die Brillen für die Fernsicht hatten sie wie üblich vor dem Zubettgehen geputzt. Jede der beiden Seniorinnen hielt einen Rosenkranz in der Hand, wobei es ihr Geheimnis blieb, für oder gegen wen sie beteten. Im Zimmer dahinter flackerte nur das Licht einer Kerze.
    Den Frauen Steinhag und Zähringsdorf fröstelte. Bereits am frühen Abend war es, trotz des erstaunlich
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