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Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Titel: Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Autoren: Faye Kellerman
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PROLOG
    »Es ist ein gemeinsamer Kraftakt, Grace. Das wissen Sie.«
    Selbstverständlich wusste Grace das. Trotz des Morphium-Nebels, der sie umfing. Von dem Krankenhausbett aus betrachtete sie den Arzt – ein Bild der Stärke. Gute, markante Züge. Eine schön geformte Stirn. Römische Nase und kantiges Kinn. Mitternachtsblaue Augen voller Glut, pechschwarzes Haar mit silbrigen Strähnen. Sein Ausdruck, wenn auch ernst, verbreitete absolute Selbstsicherheit. Das war jemand, der wusste, was er wollte, es bekam und nie etwas anderes erwartet hatte. Um die Wahrheit zu sagen, der Mann war die Arroganz in Person.
    Und damit verkörperte er exakt den Arzt, den Grace gewollt hatte. Gern verzichtet hatte sie auf einen jungen Schnösel wie Ben Casey oder einen alten Furz wie Marcus Welby, mit faltigen Dackelaugen und diesem nachsichtig verständnisvollen Lächeln, jemand mit einem überentwickelten Ego, das war ihr Mann, jemand, dessen Überlegenheit geradezu aufdringlich wirkte, der sie vor sich hertrug wie eine Ikone. Mit einem Selbstbewusstsein, das versprach: »Selbstverständlich wird die Operation ein Erfolg. Denn ich habe immer Erfolg.«
    Ein neues Herz war immerhin eine ernste Sache.
    Grace Armstrong hatte den Besten und den Intelligentesten gewollt. Hatte die Mittel, sich den Besten der Branche zu leisten. Und mit Dr. Azor Moses Sparks hatte sie sich die absolute Nummer eins geangelt.
    Das Betäubungsmittel gewann die Schlacht der Sinne in Graces Gehirn. Die Konturen von Sparks Gesicht verschwammen wie hinter einem Gazevorhang, seine Züge wurden undeutlich, bis auf die Augen. Sie bohrten sich durch den milchigen Dunst wie Halogenscheinwerfer. Grace hatte nur den Wunsch zu schlafen. Aber Sparks unerbittliche Gegenwart war ein Zeichen, dass ihr genau das nicht vergönnt war … noch nicht.
    Seine Stimme drang autoritär und wie aus einer übersteuerten Übertragungsanlage zu ihr. Die Töne hüpften wie Pingpongbälle durch ihr Gehirn. Worte hallten, als kämen sie aus einem defekten Lautsprechersystem. Die Stimme des Doktors …
    »… womit wir es hier zu tun haben, Grace. Wir sind ein Team, das aus mir, dem leitenden Chirurgen besteht; aus Ihnen, der Patientin; und aus meiner Mannschaft, den anderen erstklassigen Chirurgen und Schwestern, die mich bei der Operation unterstützen.«
    Grace gefiel der Nachdruck, mit dem Dr. Sparks von seiner erstklassigen Mannschaft sprach. Es klang, als sei das New Christian Hospital, mit allem was dazugehörte, sein Eigentum.
    Vielleicht war das ja der Fall.
    Sie schloss die Augen. Das überwältigende Bedürfnis ins Koma zu fallen, hatte alle Angst verdrängt.
    »Machen Sie die Augen auf, Grace. Wir sind noch nicht fertig.«
    Grace schlug die Augen auf.
    »Etwas Wichtiges dürfen wir nicht vergessen«, erinnerte Sparks sie. »Das wichtigste Mitglied in unserem Team …«
    Der Chirurg machte eine Kunstpause.
    »Wissen Sie, wen ich meine, Grace? Wissen Sie, in wessen Händen das ganze Unternehmen in Wirklichkeit liegt?«
    Grace schwieg. Obwohl sie sich wie besoffen fühlte und ihre Gliedmaßen bleischwer waren, flatterte ihr krankes Herz viel zu hektisch. Er stellte sie auf die Probe, und sie versagte.
    Grace starrte Sparks mit panischem Blick an. Der Arzt lächelte, tätschelte sanft ihre Hand. Die Geste beruhigte sie ungemein.
    Sparks deutete nach oben. Graces Blick folgte dem Zeigefinger des Arztes, der sich zittrig durch den Nebelschleier ihrer gedopten Sinne in die Höhe bohrte.
    »Ihn dürfen wir nicht vergessen«, erklärte er respektvoll.
    »Gott?« Grace stockte der Atem.
    »Ja, Grace.« Sparks nickte. »Vergessen wir unseren heiligen, himmlischen Vater nicht.«
    Graces lallte kaum verständlich: »Glauben Sie mir, Dr. Sparks, ich bete unaufhörlich.«
    Sparks lächelte. Sein ganzes Gesicht erstrahlte, gab seiner Strenge Wärme. »Freut mich, zu hören. Beten wir gemeinsam, Grace. Bitten wir Gott um seine Hilfe und Fürsorge.«
    Der Arzt ging in die Knie. Grace fand ihn in diesem Moment reichlich komisch, sagte jedoch nichts. Sparks Haltung ließ keinen Widerspruch zu. Sie schloss die Augen, schaffte es, die Hände zu falten.
    »Lieber himmlischer Vater«, begann Sparks. »Sei uns ein Licht in der Finsternis. Sei uns ein Leuchtfeuer, das uns sicher durch den bevorstehenden Sturm geleitet. Zeig uns deine Barmherzigkeit und deine überreiche Liebe. Lass uns an deiner Weisheit, deiner Vollkommenheit teilhaben. Gib Grace Armstrong Kraft. Gib ihr Stärke und Glauben. Erlaube
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