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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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hätte er den Veitstanz.
    «Ihr habt alle das Schwein gesehen, nicht wahr?», sprach der Pater weiter. «Ihr habt den aufgetriebenen Wanst gesehen, die rötliche Flüssigkeit vor dem Maul.»
    Er machte eine kleine Pause und bedeutete den Knechten, die Sau vor den Lazarenern abzustellen. «Eine Sau, die nach dem Tod doppelt so fett ist wie zu ihren Lebzeiten. Und deren Maul rot verschmiert ist. Ist die Sau ein Nachzehrer? Ist sie aus ihrem Totenbett im Misthaufen auferstanden und hat ihre Artgenossen nachgeholt? Sagt, wie viele Säue sind seit dem Sturm verendet?»
    Der Pater wandte sich an den Wegener. «Bei mir nicht eine», antwortete der. «Und bei den anderen, soviel ich weiß, auch nicht. Eine tote Sau in diesen schlechten Zeiten. Ich hätte sicher davon gehört.»
    «Nun denn, damit werden wir uns jedoch nicht zufriedengeben. Wir werden der Sau den Wanst aufschneiden und nachschauen, was in ihrem Magen ist.»
    Die Frauen schrien auf, doch der Pater kannte keine Gnade.
    Er ließ sich vom Krüger ein Messer geben und tat beherzt den ersten Schnitt. Ein Geruch stieg aus der Sau auf, der den Leuten in der Schenke den Atem nahm.
    Nun aber zerrte der Pater den Hettrich von der Bank. «Sieh hinein. Was erblickst du?»
    «Nichts. Nur Gedärm», stammelte Hettrich würgend.
    Der Pater bohrte mit der Faust neben dem Schnitt in den Leib der toten Sau. Pfeifend entwich Luft. «Und nun? Was war das?»
    Hettrich sah den Pater mit grauem Gesicht an. «Es klang …», stammelte er, «als hätte die Sau gefurzt.»
    Einer der Lazarener lachte, doch ein Blick des Hochmeisters ließ ihn verstummen.
    «Man könnte also annehmen, die Sau litt im Tod unter versetzten Winden, nicht wahr?», fragte der Pater.
    Die Else kicherte schrill.
    Karla sah, dass der Pater seinen Gelehrtenblick bekam.
    «Das ist auch nicht falsch», erklärte er weiter und hob dabei seinen Zeigefinger. «Ich habe in den Büchern gestöbert, die Pfarrer Dippel in seinem Haus hat. Und ich war in Oberaula im Pfarrhaus. Ich habe nachgelesen in den Werken der Naturforscher. Ich habe in den Schriften des Astesanus de Ast geblättert, habe mich mit Hildegard von Bingen befasst, habe sogar bei Thomas von Aquin nachgeschlagen. Nun, eine eindeutige wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen der versetzten Winde bei Toten habe ich nicht gefunden, aber zahlreiche Hinweise darauf, dass so etwas durchaus häufiger vorkommt und dass es eine natürliche Ursache haben muss.» Er hob die Stimme: «Und zwar bei Menschen und bei Tieren! Was bedeutet, dass die Michelsmüller genauso wenig Nachzehrer sind wie diese tote Sau. Ihr habt Euch die ganze Zeit vor einem Furz gefürchtet.»
    Einen Augenblick blieb es ganz still, dann klatschte der Pater in die Hände. «Nun, Freunde, wer möchte welches Stück der Sau?»
    Keiner rührte sich. Da wandte er sich an die Lazarener: «Ihr habt noch nicht getrunken, Freunde. Schmeckt es Euch nicht?»
    Er nahm dem Hochmeister der Lazarener den Becher aus der Hand und hielt ihm diesen an die Lippen. «Was ist? Wollt Ihr nicht schlucken?»
    Der Lazarener schüttelte den Kopf.
    «Warum? Was mundet Euch nicht am guten Brunnenwasser von der Michelsmühle?»
    Der Hochmeister wand sich auf seinem Stuhl, versuchte, den Mund vom Becherrand wegzuziehen.
    «Gut, wenn Ihr nicht wollt, so frage ich Euren Sohn.»
    Er wandte sich an einen jungen Mann, der dem Hochmeister wie aus dem Gesicht geschnitten war. «Ihr seid doch der Erbe des Hochmeisters, nicht wahr?»
    Der junge Mann, der kaum zwanzig Jahre zählte, nickte. Er nahm dem Pater den Becher aus der Hand und hob ihn an seine Lippen. Da gellte ein Schrei durch das Wirtshaus. Es war der Hochmeister, der da schrie: «Nicht! Trinke nicht! Das Wasser ist vergiftet!»
    «Ach!» Der Richter aus Ziegenhain war aufgesprungen. «Woher wisst Ihr das?»
    Pater Fürchtegott ließ sich auf einen Stuhl sinken. Karla sah, dass er erschöpft war. Sie reichte ihm einen Becher Wein, den er in einem Zuge austrank. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Richter zu.
    «Das Wasser ist also vergiftet. Woher wisst Ihr das? Wer hat etwas in den Brunnen geschüttet?»
    Der Hochmeister schluckte. Dann wies er mit dem Zeigefinger auf einen, der ganz hinten in der Ecke stand und sich hinter dem Kamin verborgen hatte. «Der war’s!», erklärte der Hochmeister. «Pfingstrosenwurzel hat er in den Brunnen geschüttet.»
    Der Angesprochene sprang nach vorn. «Ja, das habe ich. Aber nur, weil Ihr mich dazu angestiftet, mir
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