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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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Hochmeister vertraulich eine Hand auf die Schulter. «Ich versprach den Alwerödern heute in der Kirche einen Neuanfang. Und auch Ihr habt davon gesprochen. Erinnert Ihr Euch? Ihr sagtet, man muss sich trennen von dem Alten, um neu anfangen zu können. So war es doch, oder?»
    Der Lazarener schluckte und nickte.
    «Ja, da sind wir einer Meinung.» Leutselig hieb der Pater dem Hochmeister auf die Schulter. Der glättete mit der Hand seinen Umhang und trat einen Schritt nach hinten. Seine Männer hatten sich ebenfalls erhoben.
    «Was soll das heißen?», fragte er noch einmal.
    Pater Fürchtegott ließ sich Zeit.
    «Sitzt Ihr auch bequem?», fragte er die Ziegenhainer. «Könnt Ihr gut sehen und hören? Habt Ihr zu trinken? Ist Euch auch nicht kalt?»
    Der Richter erwiderte: «Alles ist, wie es sein soll. Danke, Pater.»
    Fürchtegott sah sich in der Schenke um, blickte in jedes einzelne Gesicht. Dann wandte er sich an Karla. «Sind alle Gäste eingetroffen?»
    Karlas Blicke suchten den Raum ab. Da waren die alte Alrun, die Else, die Bernadette und der Hettrich, der Glenbauer mit seinem Weib, Henn Wegener mit der Gertie, ein paar Mägde und ein gutes Dutzend Knechte, das alte Weib vom Backhaus, daneben der Vater des Glenbauern und Hoffmann, der Küster.
    «Drei Leute fehlen noch», erklärte Karla.
    Die Else sah sich um. «Wer? Hast du vergessen, dass die Dorfschulzin, der Beckmann und die Rieke tot sind?»
    Karla schüttelte den Kopf. Von draußen waren Schritte zu hören. «Nein, den Beckmann, die Schulzin und die Rieke meine ich nicht. Die, die von uns eingeladen worden sind, kommen gerade an.»
    Sie ging zur Tür, riss sie auf und machte dem schwarzen Jo, der Sofie und ihrem Säugling Platz. «Kommt, kommt schnell, ehe Ihr auskühlt. Setzt Euch, setzt Euch.» Pater Fürchtegott nahm der Sofie den Umhang ab, winkte nach einer Kanne Wein für den Michelsmüller. In aller Herrgottsfrühe war er in Immichenhain gewesen, wo sich die Familie versteckt hielt, und hatte den schwarzen Jo und die Sofie höchstselbst zum Fest eingeladen.
    Im Gasthaus entbrannte Gemurmel. «Was wollen die hier?», hörte man es flüstern, tuscheln, raunen, brummen. «Ist der Pater noch bei Trost? Wie kann er das Böse hierherbitten?»
    Die Lazarener hatten sich in der hinteren Kneipenecke zusammengerottet. Doch auf einen Wink des Paters standen die zwölf Knechte des Dorfes auf und umringten die kleine Gruppe wie eine Mauer.
    «Verdammt noch eins! Ich will endlich wissen, was hier vor sich geht!», brüllte der Glen.
    «Recht hat er. Ich warte schon lange darauf, dass sich das Schwein endlich über dem Feuer dreht!», zeterte die Else.
    Pater Fürchtegott hob die Hände. «Gemach, gemach. Alles zu seiner Zeit. Ich möchte Euch zuvor eine Geschichte erzählen.»
    Der Glen sprang auf. «Ich habe keine Zeit für Geschichten. Hunger habe ich.»
    Mit einem Schlag wich das Lächeln aus dem Gesicht des Paters. « SETZ DICH HIN UND HALT DAS MAUL !», brüllte er.
    Und ebenfalls mit einem Schlag war es ruhig im Schankhaus. Noch nie war ein Pater so laut geworden, dass die Alweröder sich unter seinen Worten duckten.
    Der Pater lächelte und zwinkerte Karla zu, dann begann er: «Es war einmal in der guten alten Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, ein Dorf. Es lag mitten im Knüllwald, im Osten nach dem Schorbachtale zu, nach Westen vom Ziegenberg begrenzt, im Norden an dichte, dunkle Wälder und im Süden an die Michelsmühle stoßend. Das Dorf zählte nicht sehr viele Einwohner, aber die wenigen waren gut und fromm. Die Männer bestellten den Acker, die Frauen walteten im Haus, die Mädchen hüteten die Gänse im Schorbachtal, und die Jungen heckten Streiche aus, um die Mädchen zu ärgern. Die Knechte warfen in den lauen Sommernächten die Mägde ins Heu, und die Mägde erzählten am nächsten Morgen den anderen beim Wasserholen am Brunnen von ihren Erlebnissen. Es gab viele Feste im Dorf, und die Feste wurden gemeinsam unter der Dorflinde gefeiert. Manchmal zankten zwei Weiber miteinander, aber wenn es gar zu schlimm kam, eilte eine dritte hinzu und goss einen Topf Wasser über die Geiferinnen. Ab und zu stritten die Männer, dann wurde der Streit mit einer kräftigen Schlägerei im Gasthaus ausgetragen, und hinterher reichte man sich die Hände und trank einen Krug Bier zusammen.»
    Der Glenbauer maulte: «Was soll das, Pope? Warum erzählst du uns hier Märchen?»
    Aber der Richter machte ihm ein Zeichen, still zu sein, und der Pater sprach
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