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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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weiter: «Eines Tages dann stand die Michelsmühle leer, und der reichste Bauer des Dorfes dachte, wenn er die Mühle kaufte, dann würde ihm das ganze Dorf gehören. Es war wichtig für ihn, der Herr über das Dorf zu sein, denn ein Mädchen hatte ihn abgewiesen. Eines, das ärmer war als alle anderen.»
    Bernadette lachte und deutete mit dem Finger auf den Glen. Der wollte aufspringen und ihr eine Maulschelle verpassen, doch seine Frau klammerte sich an ihm fest.
    «Nein», erzählte der Pater weiter. «Das war nicht unser heutiger Glenbauer, sondern sein Vater. Er fälschte ein Papier und wollte sich die Mühle erschleichen, in der das schöne Mädchen als Geringste der Mägde arbeitete. Doch die Mühle wurde – wie Ihr alle wisst – vom Landgrafen den Asteroder Müllern übergeben, deren Hof abgebrannt war. Der alte Glenbauer ging leer aus, weil er es nicht geschafft hatte, dem alten Michelsmüller mit dem Pflug den Kopf abzutrennen. Das ganze Dorf lachte, und am lautesten lachte die ärmste der Mägde. Da schwor der alte Glen Rache. Er wurde böse und verbittert, und als er alt war und sein Sohn sich ein Weib freien wollte, geschah dem dasselbe. Die Lissi, die er wollte, wollte ihn nicht. Und als er die Abfuhr erhielt, da stand ein junges Mädchen neben ihm und lachte so laut, dass es dem Glen noch Jahre in den Ohren klang. Da bekam auch er eine Wut, aber er wollte es klüger anstellen als sein Vater. Er nahm sich ein Weib, das beinahe so reich war wie er, und schwor, er werde sich die Mühle zurückholen, die sich schon sein Vater hatte holen wollen. Die Mühle», Pater Fürchtegott machte eine Pause und sah allen Männern reihum ins Gesicht. «Die Mühle und, wie sich Jahre später zeigen sollte, die schöne Müllerstochter dazu.»
    «Halt!» Der Dorfschulze sprang auf. «Man soll die alten Dinge ruhen lassen. Keinen interessiert mehr, was früher war.»
    «Es ist wichtig», erklärte der Pater, ohne sich vom Schulzen in seiner Rede unterbrechen zu lassen. «Nur wer die Vergangenheit kennt und versteht, kann eine Zukunft bauen. Also weiter: Einige Jahre später war das junge, lachende Mädchen zu einer jungen Frau herangewachsen. Und diese junge, schöne Müllerstochter ging eines Tages, vor nicht allzu langer Zeit, mit ihrem Bruder zum Maientanz. Doch keiner der Alweröder gefiel ihr gut genug, dass sie in seinen Armen einen Reigen tanzen wollte. Ganz allein drehte sie sich um den Maibaum und schickte jeden Mann weg, der sich ihr nähern wollte, sogar den Glenbauern.
    Dem Glen klang noch immer ihr höhnisches Lachen im Ohr, und nun geriet er ob ihres Hochmuts so in Wut, dass er verkündete, das Böse wohne drüben an der Michelsmühle. Als Beweis orakelte er, dass in diesem Jahr die Ernte auf dem Halm verderben würde. Und siehe da, auf dem Roggen breitete sich Mutterkorn aus. Das aber reichte dem Glen noch nicht. Er war so voller Wut, dass er den anderen Bauern, die von ihm Saatgut haben wollten, um ihre Äcker zu bestellen, weismachte, das Böse wäre im Dorf eingezogen. Und das Böse trüge den Namen der Michelsmüller. Eines Tages war die Müllerstochter auf dem Weg ins Dorf, um Bier und Eier zu holen. Sie ging durch den Wald und traf dort nicht nur auf einen Wolf, sondern auf mehrere. Und diese Wölfe rissen ihr Inneres in Stücke, zertrampelten ihre Seele und trieben ihrem Vater einen Pflock durchs Herz.»
    Klara schaute an dieser Stelle auf Sofie, die blass geworden war. Sie presste die kleine Rosemarie ganz fest an sich, während der schwarze Jo schützend einen Arm um sie legte.
    «Das Mädchen, die geschändete Müllerstochter, sprach mit keinem über das, was ihr geschehen war. Doch lange ließ sich die Schwangerschaft nicht verheimlichen.
    Ihren Bruder, den jungen Michelsmüller, packte der Zorn. Er wollte seine Schwester rächen. Am liebsten hätte er Köpfe rollen sehen. Doch die Schwester schwieg; und der junge Müller wusste nicht, wer von den Dörflern seiner Schwester das angetan hatte. Also sann er auf eine andere Form der Rache. Er streute Eicheln auf die Felder der Bauern, sodass die Wildschweine die Ernte niedertrampelten. Er drang in die Ställe und gab dem Vieh vom Mutterkorn zu essen, sodass es elendig verreckte.
    Aber niemand im Dorf ahnte etwas davon. Den Männern und Frauen wurde nur eines klar: Das Böse war da. Und weil die Männer des Dorfes genau wussten, dass sie Schuld auf sich geladen hatten, bekamen sie Angst vor den Michelsmüllern. Wenn eine Schändung der jungen
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