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Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter
Autoren: Dave Luckett
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er leibte und lebte. Wie könnte es anders sein!
    Ein Schläger wie Barras konnte nur aus einem Grund in die Palastgarde aufgenommen worden sein, und der war, dass jemand die eigentlichen Sicherungsaufgaben übernehmen musste. Und seine ausgewählte Halbkompanie war wie er, und deshalb bewachte sie an diesem Abend das Tor. Die meisten jungen Offiziere der Garde würden beurlaubt sein, um selbst am Hofball teilzunehmen. Nicht so Barras. Der war einer der alten Söldner, die noch Fürst Nathans Vater gedient hatten, und hatte sich längst seine Meriten erworben. Und noch ganz anderes dazu.
    Aber Silvus und die Schwertjungfrau schienen weder die Menschenmenge noch die Palastgardisten zu bemerken. Wir überquerten den Platz gemessenen Schrittes, und bei der Gelegenheit fiel mir ein, dass ich die Straßen unterwegs nicht nach verdächtigen und feindseligen Gestalten abgesucht hatte. An diesem Abend war die Unschuld ihre eigene Verteidigung. Ich kann mir keinen anderen Grund dafür vorstellen, dass wir nicht ausgeraubt wurden.
    Und das Glück blieb uns weiter hold. Die Menschenmenge - neben Neugierigen zumeist Leute, die milde Gaben von den Gästen des Hofballes erhofften, oder solche, die Krapfen und Pfeffernüsse verkauften oder sich auf den Taschendiebstahl verlegt hatten - teilte sich vor uns. Einer der vier Gardisten am Tor machte mit dem Schaft seiner Hellebarde eine Bewegung zu uns und fing einen Blick von Silvus auf.
    Dieser hatte mir den Rücken gekehrt, und ich konnte nur sein Profil sehen, als er den Mann ins Auge fasste, aber plötzlich schien er ein anderer. Auf einmal war er der Adlige. Nicht hochnäsig, nur mit einem Blick, der sagte: Wer bist du, dass du es wagst, mich aufzuhalten oder zu verhören? Der Gardist trat einen Schritt zurück. Wahrscheinlich überzeugte ihn, dass die fremde Besucherin von zwei Angehörigen der Stadtwache eskortiert wurde. Das Übrige war nicht sein Problem; das konnten die von der Personenkontrolle übernehmen.
    So kamen wir durch die äußere Absperrung. Der Palast lag umgeben von seinen Gärten hinter einer hohen Mauer, die ihn gegen den Platz abschloss. Für einen Hofball war es noch früh, aber schon hatte man in den Gärten farbige Lampions angezündet, und die verwehten Klänge leiser Musik drangen durch die Nacht.
    Wir wären aufgrund dieses einen Blickes auch beinahe hineingekommen. Das Tor stand offen, wir passierten den letzten Gardisten - und dann pflanzte sich Barras selbst vor uns auf, die Daumen in den Gürtel gehakt, ein untersetzter, stämmiger Mann in einer prächtigen Hofuniform. Er sah so bizarr aus, dass ich an eine Feuerkröte im Abendkleid denken musste. »Hast du eine Einladung zum Hofball des Fürsten, Silvus? Auf meiner Liste stehst du nicht.«
    Silvus schien ihn jetzt erst zu bemerken. Sein Gesichtsausdruck blieb unbewegt. »Ich eskortiere diese Dame. Sie hat dringende Geschäfte mit dem Grafen und ihre Ordenstracht ist ihr Passierschein.«
    Barras bewegte den Kopf einmal nach links, einmal nach rechts, ohne den Blick von ihnen zu wenden. »Hör auf, Silvus. Die Adelsmasche steht dir nicht. Du bist hier nicht in deinem Revier. Wer vielleicht tot in welcher Gasse aufgefunden wurde, ist nicht Sache des Grafen. Außerdem ist er beschäftigt.«
    »Er wird uns empfangen. Sei so gut und melde uns an.«
    »Ich sagte, er sei beschäftigt.« Barras machte eine ruckartige Kopfbewegung und zwei weitere Männer in Gelb und Schwarz kamen aus den Schatten hinter dem Tor. Zwanzig weitere würden in Rufweite sein. »Er muss jetzt seine große Entscheidung der Woche treffen, nämlich, was er für den Ball anziehen soll. Du und deine Freundin mit dem Hackebeil, ihr könnt morgen eine Audienz beantragen. Oder vielleicht nächste Woche.«
    Niemand lächelte. Ich merkte, dass ich die Hand am Schwertknauf hatte, und ließ sie sinken. Die Schwertjungfrau veränderte ihren Griff um die Hellebarde, als hätte sie selbstmörderische Anwandlungen bekommen, und Silvus hielt eine Hand beschwichtigend knapp über ihrem Unterarm in die Luft. Die Handfläche nach unten.
    »Ein Wort unter uns, Georghe«, sagte er. Er machte keinen Versuch, Barras beiseite zu führen. Genauso gut hätte er einen Felsblock bewegen können. Aber er trat einen Schritt vorwärts und zur Seite und sprach so leise, dass Barras den Kopf auf die Seite legen musste, um ihn zu hören. Der Fackelschein machte die Narben in seinem Gesicht zu einer Reliefkarte seines Lebens.
    Nun blickte er hinter zusammengezogenen
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