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Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter
Autoren: Dave Luckett
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können. Ich weiß, dass Silvus sich übergab und dass die nüchterne Tapferkeit der Schwester angesichts des Verrats und des Schocks ihre Grenze erreicht hatte, und ich mache keinem von ihnen einen Vorwurf daraus. Mir hätte es noch schlechter gehen sollen. Aber es war nicht so. Denn etwas an diesen spröden grauen Fußknochen, die die zarten Blütenblätter auf den Steinplatten zerrieben, etwas an der grässlichen Blasphemie dessen, was hier geschah, erfüllte mich mit einer weiß glühenden Wut, die ich weder vorher noch nachher jemals fühlte. Sie brachte etwas wie eine große Ruhe und Entschlossenheit mit sich, und ich wusste, dass mir nichts etwas anhaben oder mir widerstehen konnte. Hände schienen auf meinen Schultern zu liegen, das Licht nahm zu und ab, und eine wilde wütende Begeisterung ergriff Besitz von mir.
    Die Fackel lag in meiner Hand. Ich hob sie wie ein Banner, brüllte eine Herausforderung. Dann stieß ich sie in das abscheuliche, mit pergamentenen Hautfetzen behangene Gesicht der Schreckensgestalt.
    Die Fackel war geteert, und der heiße Teer tropfte und rann brennend die Gebeine herab. Das Skelett schlug zu, schneller als irgendetwas Lebendes sich bewegen kann, aber die Fackel parierte den Schlag mit Leichtigkeit. Ich stieß die Flamme in den morschen Brustkorb, und etwas fing Feuer. Es war trockenes, staubiges Pergament auf braunen Knochen, und Teer vom Kopf der Fackel blieb dort haften, brannte weiter und fand neue Nahrung. Wieder stieß die Untote zu, schneller als das Züngeln einer Schlange, und eine rostige Klinge fuhr mir über die Rippen, als ich ausholte, um die flammende Fackel in den staubtrockenen, halb mumifizierten Bauch zu stoßen. Es knisterte, und ich hielt die Fackel, bis sie mir aus der Hand gerissen wurde. Ein Gestank verbreitete sich, übler als ich beschreiben kann, und der Kadaver brannte jetzt hell, stieß jedoch wieder zu. Ich blutete, spürte aber keinen Schmerz. Trotzdem geriet ich in Wut, und da mir andere, wirksame Waffen fehlten, duckte ich einen weiteren Stoß mit dem Messer ab, wuchtete den Steinblock vom Boden hoch und warf ihn in das brennende, qualmende Gerippe. Er zerschmetterte Becken und Rückgrat - und das Skelett zerfiel in Stücke. Ich übersprang den Steinblock und stieß den Schädel mit einem Fußtritt durch den Raum. Er prallte gegen die Wand und zerplatzte in hundert Stücke.
    Ich weiß nicht, wie lange ich qualmende, stinkende Gebeine zerschlagen und Bruchstücke und Knochenscherben zertrampelt hatte, bis ich merkte, dass sie sich nicht mehr zusammenfügten. Die dumpfen Schläge, die ich hinter mir hörte, kamen von der Tür, die in ihren Scharnieren schwang. Stimmen riefen und schrien durcheinander, überrascht, zornig und fragend. Und ich sah eine Blutlache nahe der Tür, wo das Schicksal die Priorin ereilt hatte.
    Die blinde Wut wich von mir, und ich sank besinnungslos auf den von Knochensplittern übersäten Boden.
     

  KAPITEL XVI
    Der Regen hatte aufgehört, die Blätter bewegten sich in der warmen Brise, sodass die Sonnenkringel am Boden tanzten. Ich ging auf einem Pfad unter den Bäumen am Bach dahin zu einer niedrigen, halb überwachsenen Mauer. Als ich sie erreicht hatte, lehnte ich an den alten Steinen und lauschte der leisen, klaren Stimme des Wassers, das zwischen den gelb leuchtenden Sumpfdotterblumen gluckste. Vögel zwitscherten und huschten zwischen den Ästen. Vor mir stieg der Hochwald den sanften Hang hinab zu den trägen Schleifen eines Flusses, der zwischen den Wiesen ein grünes Tal durchströmte. Noch weiter ragten Berge blau im Dunst der Ferne. Der Pfad lockte mich, und ich folgte ihm neben der niedrigen Mauer.
    Sie saß am Ufer des Baches, wo die Mauer endete, ließ die Zehen ins Wasser hängen, ein Landmädchen in einem verblichenen Kleid aus grobem Leinen. Ich nickte, als sie aufblickte und mir zulächelte. Und dann sah ich ihre Augen und wusste, und ich zog die Mütze vom Kopf und trat zurück und ließ mich auf ein Knie nieder.
    Sie stand auf, verließ den Bach und stützte mir gegenüber die Ellbogen auf die Mauer.
      »Nein«, sagte sie. »Eines Tages wirst du über diese Mauer steigen, aber noch nicht, Will. Du hast andere Aufgaben, und viel für mich zu tun. Ich wollte, dass du meinen Garten siehst und weißt, dass er hier ist und auf dich wartet, aber jetzt führt dein Weg zurück.« Sie winkte mir, mich zu erheben. »Ich danke dir. Und Barbara dankt dir auch.«
    Sie machte kehrt und schritt über die Wiese
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