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Tempel der Unsterblichen

Tempel der Unsterblichen

Titel: Tempel der Unsterblichen
Autoren: Vampira VA
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zwischen sich und dem Edelmann und griff nach dem hölzernen Schaft. Seine Umgebung schien von ihm abzurücken. Die Geräuschkulisse senkte sich auf einen derart niedrigen Pegel, daß Grijalva das Rauschen des eigenen Blutes in den Ohren zu hören meinte.
    »Ihr hattet Glück, daß der Pfeil nicht vergiftet war .«
    »Woher wollt ihr wissen, daß er das nicht war?«
    Grijalva schauderte wider Willen. Don Cristobals Bemerkung verursachte ihm ein bis dahin ungekanntes Grausen, so heftig, daß er sich selbst kaum wiedererkannte.
    »Worauf wartet Ihr noch?«
    Grijalva tat, worauf sein Gegenüber drängte.
    Mit einem schmatzenden Geräusch lösten sich ein Teil des Schaftes und die Pfeilspitze aus Don Cristobals kerzengeradem Körper. Ein Schwall dunklen Blutes folgte, versiegte aber fast augenblicklich wieder, als würde sich die Wunde neben dem Brustpanzer blitzschnell verschließen.
    Grijalva blinzelte ungläubig. Kein Mensch besaß ein solches Heilfleisch .
    »Stimmt etwas nicht?«
    Der Oberleutnant zuckte zusammen.
    »Eure ...«, setzte er heiser an.
    Als er sich wenig später von Don Cristobal abwandte, hatte er auch diese Episode vergessen - genau wie den Tod des gefangenen Maya, der sie zu dieser vielversprechenden Stadt geführt hatte.
    Die Stadt .
    Grijalvas Gedanken beschäftigten sich wieder ausschließlich mit den Prachtbauten, die durch das Blattgrün des Urwalds zu ihnen herüber schimmerten, und mit den Reichtümern, die sie beherbergen mochten. Rasch führte er eine Zählung der ihm verbliebenen Männer durch. Dann stieß er an der Spitze seiner überlegen bewaffneten Armee in die heiligsten Bezirke der Siedlung vor.
    Daß Don Cristobal zurückblieb und erst sehr viel später nachfolgte, fiel zunächst weder Grijalva noch einem anderen Soldaten auf. Die Gedanken der von Cortes entsandten Streitmacht kreisten um das Gold der Maya - in keinem der Köpfe existierte ein Bild, das die hier lebenden, hier geborenen Indios als Menschen zeichnete. Zumindest in keinem der menschlichen Köpfe .
    *
    Die Maske drückte. Er hätte sie sich am liebsten vom Gesicht gerissen.
    Aber sie drückte seit fast achthundert Jahren, und die Momente, in denen er tatsächlich auf sie verzichtet hatte, waren rarer als die Goldmünzen in seiner Tasche.
    Im Dämmerlicht des Waldes gab sich der unter dem Inkognito »Don Cristobal« reisende Landru ganz seiner sinnlichen Wahrnehmungskraft hin und sog die Düfte dieser vor Leben schier berstenden Enklave in sich sein. Tiefe Atemzüge wölbten seine Brust und sprengten fast den mattglänzenden Panzer, der aus einer der besten spanischen Schmieden stammte; den Panzer, der - mochte er auch noch so kunstfertig gearbeitet sein - niemals den perfekten Schutz zu bieten vermochte.
    Aber die Schulterwunde war schon nicht mehr zu spüren, im Grunde war sie vergessen .
    Ungeachtet der ihn umgebenden Gefahren schloß Landru die Augen. Er wollte den Momenteindruck in sich konservieren - und sich noch einmal klar ins Bewußtsein zu rufen, warum er die Strapazen des Dschungelmarsches auf sich genommen hatte.
    Seit nunmehr sechs Jahren begleitete er die Expeditionen und Eroberungszüge der Spanischen Krone und vernachlässigte darüber völlig die Pflichten, die in der Alten Welt auf ihn warteten.
    Auf ihn, den Hüter. Den Mann, der zu keinem anderen Zweck erweckt worden war, als vampirisches Leben über die ganze Erde zu verbreiten.
    Landru erzitterte innerlich, denn inzwischen wußte er es besser. Auch wenn ihm die Gründe vorenthalten wurden .
    So genau, als wäre es gestern gewesen, erinnerte er sich des Moments, als seine Füße zum erstenmal die Küste Yucatans betreten hatten. Er hatte sich von den anderen entfernt und ein Stückweit in den Dschungel zurückgezogen, um die endlos langen Tage auf See zu vergessen und Zwiesprache mit dem einzigen Partner zu halten, den er wirklich respektierte. Der flüchtige Aufenthalt vor der Insel, die sie Isla Mujeres getauft hatten, zählte für ihn nicht - er war nicht einmal mit an Land gegangen.
    Deshalb, um zu diesem neuen Kontinent zu gelangen, hatte er sich dem wagemutigen Hernandez de Cordoba angeschlossen, nicht eines winzigen, vom Ozean umspülten Eilands wegen!
    Doch dann, dort in der Einsamkeit unbekannter Pflanzen, Vögel und Tiere, hatte das magische Kleinod, mit dem er in den Dialog getreten war, ihn regelrecht geschockt.
    Er solle keine neuen Sippen gründen, keine einheimischen Kinder dem Ritual zuführen, das Vampire aus ihnen geformt hätte,
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