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Tempel der Unsterblichen

Tempel der Unsterblichen

Titel: Tempel der Unsterblichen
Autoren: Vampira VA
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kanntest! Verschließ deine Ohren vor meinem Flehen und Drohen ... du weißt, wovon ich rede. Versprich mir das!«
    Als wäre nicht alles schon schlimm genug, erinnerte sie Tikal nun auch noch an das vielleicht Schrecklichste, was ihnen bevorstand.
    Er schauderte. Nicht einmal, sondern so anfallartig wie bei seinem Erwachen unten in der Hütte, als er sofort gespürt hatte, daß diese Nacht einen entsetzlichen Preis von ihm verlangen würde.
    Seine Hände lösten sich von Viejo, die nun rücklings auf dem kalten Steintisch lag und ihn aus halb offenen Augen anstarrte. Ihr Blick war klar wie das Wasser in einem Brunnen. Ihr Verstand schien es auch: Sie wußte genau, was sie von ihm erbat .
    »Das - kann ich nicht!«
    »Du mußt! Bitte ...!« Es kostete sie die letzte Kraft, dieses entwürdigende Flehen.
    Tikal hatte ein Gefühl, als säße eine Kröte in seinem Hals, als müßte er ersticken. »Du erwartest wirklich ...?«
    »Du weißt, wie es geht . Wir wissen alle, wie es die Priester tun ... Aber ich will, daß du es tust, du, mein Bruder ...«
    Ihre Stimme erlosch. Ihre Augen schlossen sich. Sie hatte das Bewußtsein verloren und glitt nun unaufhaltsam in jenen Zustand, der Nein, dachte Tikal. Nein .!
    Wie benebelt beugte er sich zu Viejo hinab und hob sie auf. Sie war leichter als je zuvor, als er ihren noch weichen und biegsamen, noch warmen Körper schulterte und mit ihm zur steil abwärts führenden Treppe eilte.
    Dabei unterdrückte er jeden Zweifel an der Richtigkeit solchen Tuns im Ansatz.
    Tikal schwitzte. Aber er zitterte nicht mehr.
    Und noch während er die Stufen hinabstieg, spürte er durch ihr Kleid hindurch, wie Viejos Körper erkaltete. Unaufhaltsam zu dem wurde, wovor sie sich gefürchtet hatte - mehr als vor dem Sterben »Laß mich heraus - sofort! Wenn du nicht augenblicklich die Gewichte entfernst, werde ich wütend - furchtbar wütend!«
    Die Drohungen wurden nicht nur von der überschlagenden Stimme, sondern noch von anderem Toben unterstrichen. Fäuste hämmerten und stemmten sich von unten gegen die Verbretterung, und Tikal beobachtete mit Sorge, wie seine Schwester jene berserkerhaften Kräfte entwickelte, von denen er bislang immer vermutet hatte, sie entsprängen dem Aberglauben und der Übertreibungssucht der Menschen .
    »Beruhige dich, Viejo. Laß uns reden .«
    »Beruhigen? - Reden?«
    Hätte er nicht genau gewußt, wen er in die leergeräumte Vorratsgrube gebettet hatte - gebettet wie eine Schlafende, nicht wie eine Tote -, beim Klang der Stimme, die sich schrill durch das Holz und die darüber aufgetürmten Säcke fraß, wären Tikal Zweifel gekommen.
    Aber nicht nur Viejos Stimme, auch ihr ganzes Gebaren hatte sich ins Extrem verändert.
    Tikal räusperte sich. »Wie - wie fühlst du dich?«
    Er wußte nicht, wie lange er der eigenen Frage hinterhergelauscht hatte, bis ihm auffiel, daß das Hämmern und Keifen unter den Barrikaden, die er in weiser Voraussicht errichtet hatte, verstummt war.
    Barrikaden gegen die Angst, die ihn - natürlich - knebelte. Tief in seinem Hirn wartete eine Panikattacke darauf, hervorzubrechen und den letzten Funken Verstand in ihm zu ersticken. Er ließ es nicht zu, aber es kostete ihn eine schier unmenschliche Kraft.
    Draußen herrschte immer noch die Nacht. Viejo war nicht lange tot geblieben. Nicht lange tot ...
    Die gespenstische Wahrheit, die hinter dieser fast lapidaren Feststellung lauerte, riß eine weitere Schranke in Tikals Kopf nieder. Er fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Wild. Seine Witterung hatte die Nähe des Jägers aufgenommen, und dieser schien nur noch darauf zu warten, daß es sich eine Blöße gab, die er gnadenlos ausnutzen würde.
    Er seufzte gequält und preßte die Knöchel seiner Fäuste gegen die von Blut durchrauschten Schläfen. Wie konnte er nur glauben, Viejo würde ihn .?
    »Ich fühle mich glänzend!«
    Die Stimme aus der Tiefe schnitt wie ein scharf geschliffenes Messer in seine Gedanken.
    »Du lügst!« preßte er hervor. Seine Arme fielen schlaff herab, und er hatte nicht einmal die Kraft, sich zu erheben.
    »Früher hättest du mich keiner Lüge bezichtigt«, warf sie ihm vor, und wenn er genau hinhörte, klang sie plötzlich wieder beinahe wie früher.
    »Viejo, bitte, du weißt nicht, was es für mich bedeutet, dich so reden zu hören. Überhaupt zu begreifen, daß du zurückgekehrt bist, nachdem ich dich mit eigenen Augen sterben sah .«
    »Ich war nie fort«, widersprach sie. »Aber jetzt muß ich
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