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Tempel der Unsterblichen

Tempel der Unsterblichen

Titel: Tempel der Unsterblichen
Autoren: Vampira VA
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allen Wegen mit sich führte - auch auf diesem.
    Die Ledertasche an seinem Gürtel schien plötzlich zentnerschwer und ihn zu Boden zerren zu wollen, gerade so, als wollte der Kelch darin seinem Besitzer zu verstehen geben, was er von dessen Gedanken hielt.
    Ein leiser Seufzer wehte aus Landrus Mund. Dann öffnete er die Augen, um seine Umgebung wieder an sich heranzulassen.
    Seine Hand tastete in den Beutel und berührte das Objekt der Macht. Den Gegenstand, der über Leben und Tod gebot, weil er den, der Blut aus seinem Kelche trank, tötete und neu belebte .
    Täuschte er sich, oder klebten seine Fingerkuppen tatsächlich am Lilienkelch fest, als berührten sie von Rauhreif überzogenes Metall?
    Landru glaubte das eigene Blut im Mund zu schmecken, und die Kehle trocknete ihm aus, während er nach einer möglichen Rechtfertigung für das suchte, was er vorhatte.
    In diesem Augenblick begriff er eines jedenfalls kristallklar: Daß er sich die ganze Zeit über eingeredet hatte, selbst nicht die Motivation zu kennen, die ihn zu dieser abermaligen Reise ins Reich der Maya verführt hatte, war eine Lüge. Er hatte die Gründe immer gekannt, sie sich nur nicht eingestanden .
    Beim Dom und allen Hütern, durchfuhr es ihn, gib diesen wahnsinnigen Gedanken auf - noch ist Zeit!
    Aber die Idee hatte zu lange in ihm gegoren und war bereits zu mächtig geworden.
    So mächtig, daß er sich nach einem abermaligen tiefen Atemzug in Bewegung setzte und Pedro Grijalva in die von seiner Armee heimgesuchte Stadt folgte.
    *
    Jahrhunderte später...
    Tikal fuhr mitten in der Nacht von seinem Lager auf und griff sich an die Kehle. Er zitterte fast anfallartig, sein Herz raste. Kalter Schweiß glänzte auf fahler Haut, von der vor dem Schlafengehen alle Schminke entfernt worden war. Entsprechend nackt und verletzlich fühlte sich Tikal trotz seines Lendenschurzes.
    »Viejo ...?« Seine Stimme wehte schwach durch die kleine Ziegelsteinhütte.
    Viejo antwortete nicht. Sie lag auch nicht mehr neben ihm.
    Im offenen Herd schwelte noch eine Restglut, deren glimmender Widerschein die Behausung leidlich erhellte. Tikals Augen waren so genügsam, daß sie sich rasch in der Düsternis zurechtfanden. Er fand bestätigt, was ihm schon sein bloßes Gefühl gesagt hatte: Seine Schwester war fort!
    Benommen kam er auf die Beine. Die Hütte war winzig klein. Sie bestand praktisch nur aus diesem einen Raum. Es gab lediglich noch ein mit Brettern abgedecktes Erdloch, in dem Nahrungsmittel gelagert wurden. Obwohl es groß genug war, um einen Menschen aufzunehmen, verschwendete Tikal keinen Gedanken an die Möglichkeit, Viejo könnte dort sein.
    Er ging zur Feuerstelle, legte ein paar getrocknete Blätter auf, die fast augenblicklich entflammten, und kehrte dorthin zurück, wo er an Viejos Seite eingeschlafen war. Im helleren Licht, das nun herüberflackerte, entdeckte er etwas, was nur seine Schwester zurückgelassen haben konnte: eine mit Glyphen bedeckte dünne Steinplatte!
    Noch während Tikal danach griff, überkam ihn ein Schauder, der ihm alle Kraft aus den Gliedern zu saugen drohte. Das Gefühl, gleich etwas Entsetzliches zu erfahren, begrub ihn wie ein Erdrutsch unter sich. Den ganzen Tag hatte sich Viejo seltsam benommen - eigentlich schon die ganzen letzten Tage über .
    Obwohl die Tafel kaum Gewicht besaß, fiel es ihm unsagbar schwer, sie aufzuheben und so zu drehen, daß er imstande war, sich die von Viejo hinein geritzten Figurenfolge begreiflich zu machen.
    Ein paar Atemzüge später entglitt die Tafel seinen Händen und zerschellte auf dem mit Steinen ausgelegten Boden der Hütte. Tikal schwankte, rang aber sein Entsetzen nieder und stürzte aus der Hütte - eine von vielen am Fuß des Pyramidentempels.
    Finstere Nachtkühle umfächelte ihn. Sie schien den Schweiß auf seiner Haut zu Eiskristallen gefrieren zu lassen.
    Tikal achtete nicht darauf. Die Nachricht, die ihm Viejo hinterlassen hatte, war absolut unmißverständlich, und daß sie sich wie eine Diebin davongeschlichen hatte, unterstrich nur, wie verzweifelt ernst es ihr damit war. Sie hatte den frühen Tod der Eltern nie verwunden, und auch nicht, was mit Becan, ihrem anderen Bruder, geschehen war.
    Tikal liebte seine Schwester über alles. Er kannte niemanden, der es eher verdient gehabt hätte, sein Glück zu finden.
    Unbewußt ballte er die Fäuste, während er die Treppe zum Tempel hinaufhetzte. In jede Stufe waren Glyphentexte eingearbeitet. Sie lobpreisten die Namen der acht
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