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Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht

Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht

Titel: Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
Autoren: Barbara Ludwig
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Schultern und fährt verlegen mit der Hand durch ihre kinnlangen, blonden Haare. Ja, Enno ist ein Kapitel für sich. Enno, der als verdeckter Ermittler für die italienische Polizei arbeitet und dem sie leider, leider, sie seufzt, nach jener Nacht in der Santa Maria dell’Isola nur noch dreimal begegnet ist. Und das, obwohl sie nach der ganzen Geschichte mit ihrer Mutter und der Erbschaft des Grundstücks mehrere Wochen in Tropea zugebracht hat. Fast ein Vierteljahr ist seit dem letzten Treffen mit Enno inzwischen vergangen.
    Ulla erinnert jede gemeinsame Sekunde mit einem Schaudern, als wäre ihre Begegnung gerade gestern gewesen. Wenn sie nur wüsste, wo Enno sich im Augenblick aufhält. Oder wenn sie ihm eine SMS schreiben oder mit ihm Mails austauschen könnte. Nicht mal Briefe kann sie ihm senden. Von Anrufen wagt sie nicht zu träumen. Irgendwann, meist wenn sie kurz davor ist, sich Enno aus dem Sinn zu schlagen, ruft er an. Nie sagt Enno ihr, wo er sich gerade befindet und was er macht. Aber er beruhigt sie und versichert ihr stets: „Ich liebe dich. Bald sehen wir uns. Ich versuche mein Möglichstes, glaub mir.“ So auch vor ein paar Tagen: „Wenn alles klappt, treffen wir uns in Mallorca.“ Und alles fängt von vorn an.
    Während Ulla durch den Schlauch hinter der Meute her zum Flugzeug tappt, schießt der Gedanke an ein Wiedersehen bittersüß durch ihre Gehirnwindungen, und die Sehnsucht tut körperlich weh. Der Schmerz ist fast so peinigend und unangenehm wie das flaue Gefühl, das sich bei ihr einstellt, als sie ihren Platz im Flugzeug sucht. Bereits der Anblick der Sitzreihen, die sich nach und nach füllen, führt zu einem Schweißausbruch und zittrigen Beinen. Ihr Herz schlägt pochend in ihren Ohren, bis sie nur noch den Pulsschlag ihrer eigenen Nervosität hört. Julia hat gut reden. Was hat sie nicht schon alles ausprobiert, um diese Flugangst zu bekämpfen, die immer wieder nach ihr greift wie ein Ungeheuer. Die trockene, abgestandene Luft im Flugzeug würgt sie wie Giftgas und schnürt ihr die Kehle zu. In ihrer Panik möchte sie, ohne weitere wertvolle Sekunden zu verlieren, dieses erbarmungslose Ungetüm sofort wieder verlassen. Aber der Einstieg wird gerade von der Stewardess verriegelt. Sie ist eingesperrt. Ihr bleibt keine Wahl. Mit einem Stoßgebet auf den Lippen schließt sie, gottergeben, ihren Sicherheitsgurt. Als die Maschine sich langsam auf das Rollfeld zubewegt, meinen ihre Ohren, ein Knirschen im Getriebe auszumachen. Hinzu kommt ein unheimliches Poltern beim Abheben. All dies bestärkt Ulla in dem Glauben, dass das Flugzeug Mallorca niemals erreichen wird, dass es vorher ins Meer stürzt. Sie wagt nicht, aus dem Fenster zu schauen, ist froh über ihren Gangplatz. Nicht genug, dass sie sich in höchster Lebensgefahr befindet, ihr Flugnachbar besitzt auch noch die Dreistigkeit, auffällig frech ihre Oberweite zu taxieren und versucht darüber hinaus mit ihr anzubandeln. Was bleibt ihr übrig? Sie schließt demonstrativ die Augen.
    Erst die Durchsage „Das Flugzeug ist soeben in Palma de Mallorca gelandet“ weckt ihre Lebensgeister wieder, und sie wagt, vorsichtig in die Gegend zu blinzeln. Ihre Hände schmerzen vom krampfhaften Festhalten der Lehnen.
    Bei der Gepäckausgabe atmet sie erleichtert auf. Sie ist noch am Leben. Noch zögerlich verlässt sie, ihren Koffer im Schlepptau, den Sperrbereich. Mit jedem Schritt auf festem Boden wird sie mutiger. Die Luft schmeckt wieder erdig, findet sie, und reckt keck ihren blonden Lockenschopf in die Höhe, um Ausschau nach der Person zu halten, die sie abholen wird.
    In der Menge der Wartenden fällt ihr ein Mann auf. Mit unheimlicher Sogkraft zwingen seine schwarzbraunen Augen Ulla, ihn anzuschauen. Es kostet sie Mühe, sich aus dem Bann zu befreien. Obwohl es ihr nach einer Weile gelingt, spürt sie den bohrenden Blick weiterhin in ihrem Rücken. Sie beginnt ärgerlich zu werden. Ein diffuses Unbehagen beschleunigt ihre Atmung. Wütend darüber, dreht sie sich empört um und beginnt, den Störenfried ihrer Ruhe ihrerseits dreist zu mustern. Der Mann hat sich nicht gerührt und steht noch immer am selben Fleck. Wie ein Denkmal überragt er, überaus groß gewachsen, die an ihm vorbeieilenden Reisenden. Wenn dieser Typ wenigstens hässlich wäre, aber nein, er ist auch noch ein schöner Mann. Sein Gesicht bildet ein gleichmäßiges Oval, die gerade, sehr edle Nase schwingt in harmonisch gerundeten Augenbrauen aus, die just über
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