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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore
Autoren: M Knight
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überbringen. Ich habe nie herausgefunden, warum er eigentlich hierhergekommen ist. Einmal dachte ich kurz, er hätte gesagt, es hätte etwas mit seinem Bruder zu tun, doch Jehangir hatte keine Brüder.
    »Wie bist du nach Buffalo gekommen?«, fragte ich und bemerkte sofort, dass diese Frage völlig zusammenhanglos wirkte.
    »Auf der Interstate 90«, entgegnete er.
    »Die ganze Strecke?«
    »Eigentlich bin ich von Seattle aus losgefahren«, erklärte er. »Ich hatte da ein paar Freunde, ich fuhr wegen eines großen Konzerts hin und pennte bei ihnen im Haus. Das solltest du sehen, Yakhi – es ist das ultimative Taqwacore-Haus. Gleich daneben gab es so eine verdammte Kuppel, die sie als Minarett benutzten. Mein Kumpel Uthman kletterte auf das Dach und brachte ganz oben einen scheiß goldenen Halbmond an. Unglaublich, Yakhi. Du hättest sehen sollen, wie das Teil in der Sonne glänzte. Das ruft echt Gefühle in einem wach. Sie hatten eine Anlage da drin, sodass die ganze Nachbarschaft ihren Adhan hören konnte.« In diesem Moment bemerkte ich den entrückten, glänzenden Blick, den Jehangir manchmal hatte, als wäre er gerade in Seattle und stünde direkt davor. Ich hatte fast das Gefühl, als könnte auch ich es sehen, das Kuppel-Minarett, den goldene Halbmond, der die Sonne reflektiert, als Jehangir wieder zu sich kam. »Ja, also, Maschallah, ich fuhr rauf nach Seattle zu dem Konzert, hatte all meinen Kram im Auto und am nächsten Morgen ging es weiter. Wusstest du, dass die I -90 die längste Interstate im ganzen Land ist?«
    »Nein.«
    »Ist sie aber. In scheiß Montana gibt es Gegenden, da ist sie noch nicht mal ein zweispuriger Highway, sondern nur eine Landstraße.«
    »Echt?«
    »Wir sollten mal zusammen an die Westküste fahren, Yusef Ali. Wir schnappen uns einen Van und gründen sowas wie eine Interstate-Dschamaat. Wenn wir das diesen Sommer machen, könnten wir bei der ISNA -Konferenz in Chicago vorbeischauen.« Ich lachte, denn ich konnte mir vorstellen, wie die Taqwacores über die ISNA dachten oder wie solche Gruppierungen über sie dachten. »Scheiße, Yusef. Wir sollten das machen. Eine richtige Tour, zu den ganzen Vereinen. ISNA , ICNA , CAIR , AMC , MPAC , was gibt’s da inzwischen noch? Die werden uns überall rausschmeißen. Und unterwegs sammeln wir all die schwulen Alime, die betrunkenen Imame, die Punk-Ayatollahs, die masochistischen Muftis, Junkie-Scheichs, debilen Mullahs und fluchenden Maulanas ein, alle, die wir finden können, packen sie in unseren Van, bis keiner mehr reinpasst und die Typen sich draußen an die Seiten hängen müssen wie in Rawalpindi! Scheiße, Mann, und dann die I -90 runter. Und bis nach Kalifornia.«
    » Kalif ornia?«
    »Ja, Yakhi, Kalifornia. Es gibt da draußen eine Gruppe, die ein Kalifat errichten will. Sie nennen es scheiß Kalifornia.«
    Wir lachten, und dann kam Fasiq aus dem Tabakladen mit seinem großen, bescheuerten Iro und den Blättchen. »Wieso hat das so lange gedauert?«, rief Jehangir quer über den Parkplatz.
    »Ihr glaubt es nicht«, rief Fasiq zurück. »Der Arsch Sayyed war da drin.«
    »Was? Was macht denn Sayyed da drin? Ist er jetzt ein Haschaschin?«
    »Nee, er war unterwegs und sein Kafir-Freund bat ihn, Blättchen mitzubringen, also haben wir da drin ein bisschen rumgequatscht.«
    »Lasst uns auf ihn warten, vielleicht können wir ihn irgendwo absetzen?«
    Sayyed war ein guter Muslim – zumindest war es unwahrscheinlicher, dass man ihn bei einem Kongress der ISNA rauswerfen würde als Jehangir und seine Crew. Ich saß mit ihm auf dem Rücksitz, während Jehangir das Auto aus der Parklücke manövrierte, Fasiq saß vorne und »Anthem for a New Tomorrow« von Screeching Weasle drang aus Jehangirs billigem alten Kassettendeck. Wir versuchten alle, ein Gespräch mit Sayyed anzufangen – Wie läuft’s in der Uni, wie geht’s der Familie und so weiter. Es war mir irgendwie peinlich, aber ich befürchte, dass ich genauso war wie er, bevor ich lernte, wie man sich gegenüber Typen wie Fasiq Abasa cool verhält. Wir setzten ihn auf dem Campus ab, tauschten die üblichen Höflichkeiten aus und fuhren zurück zu unserem verkommenen Haus.
    Amazing Ayyub war draußen auf der Veranda, das große KERBELA auf seiner Brust konnte man meilenweit lesen, und als er uns sah, rannte er schnell hinein, um »Hey Little Rich Boy« von Sham 69 aufzulegen. Dann stürzte er wieder raus, flog die Verandatreppe herunter und sprang auf das Dach von Jehangirs Auto,
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