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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann
Autoren: Haruki Murakami
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wäre doch nicht übel. Dann könnte ich mit Yumiyoshi zusammenleben. Sie würde im Hotel arbeiten und ich würde meinen Job verrichten. Aber was sollte ich tun? Ach, irgendetwas würde sich schon finden. und wenn es nicht gleich klappte, konnte ich mich immer noch ein paar Monate auch so über Wasser halten.
    Ich könnte etwas schreiben, überlegte ich mir. Schreiben ist mir nie lästig gewesen. Nachdem ich drei Jahre lang ununterbrochen Schnee geschaufelt hatte, bekam ich auf einmal Lust, etwas für mich zu schreiben.
    Ja, das brauche ich.
    Einfach nur einen Text. Weder ein Gedicht noch einen Roman, keine Autobiographie und auch keinen Brief. Einfach nur einen Text – ohne Auftrag und Abgabetermin.
    Das wäre nicht schlecht.
    Ich dachte an Yumiyoshi. Ich konnte mich an jeden Zoll ihres Körpers erinnern, hatte jeden Winkel erforscht und besiegelt. Euphorisch lief ich durch die frühsommerlichen Straßen, nahm ein köstliches Mittagsmahl zu mir, trank ein Bier und setzte mich dann in die Lobby, wo ich, hinter den Pflanzen verborgen, Yumiyoshi ein wenig bei der Arbeit zuschaute.

44
    Yumiyoshi kam am Abend um halb sieben. Sie trug zwar noch die Hoteluniform, aber eine andere Bluse. Diesmal hatte sie eine kleine Plastiktasche bei sich, die Kleidung zum Wechseln, Waschzeug und Kosmetika enthielt.
    »Irgendwann erwischen sie dich«, sagte ich.
    »Keine Sorge, ich bin clever«, sagte Yumiyoshi und lächelte verschmitzt. Sie zog ihren Blazer aus und legte ihn über die Stuhllehne. Wir setzten uns aufs Sofa und kuschelten uns aneinander.
    »Heute habe ich den ganzen Tag an dich gedacht«, sagte sie. »Und da habe ich mir ausgemalt, wie toll es doch wäre, wenn ich tagsüber hier arbeiten und mich abends in dein Zimmer stehlen könnte, um die Nacht mit dir zu verbringen, und morgens wieder aufstehen und meinen Dienst antreten würde.«
    »Die Job-Wohn-Kombination«, sagt ich lachend. »Ich kann es mir nur leider nicht ewig leisten, hier zu wohnen, und außerdem würden sie dich irgendwann erwischen, wenn wir das jeden Tag so weitertrieben.«
    Yumiyoshi schnippte ungehalten mit den Fingern. »Alles nicht so einfach.«
    »Stimmt«, sagte ich.
    »Aber einige Tage wirst du doch noch bleiben, oder?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Na gut. Dann wohnen wir eben die paar Tage zusammen hier im Hotel.«
    Daraufhin zog sie sich aus und faltete wieder jedes einzelne Kleidungsstück ordentlich zusammen. Reine Gewohnheit. Uhr und Brille legte sie auf den Tisch. Dann hatten wir ausgiebig Sex, ungefähr eine Stunde lang, bis wir erschöpft waren. Wohlig erschöpft.
    »Unglaublich«, sagte sie und schlief ganz entspannt in meinen Armen ein. Ich duschte, holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich auf einen Stuhl, um Yumiyoshis schlafendes Gesicht zu betrachten. Sie schlummerte ganz selig.
    Gegen acht wachte sie auf und sagte, sie sei hungrig. Wir inspizierten die Speisekarte des Zimmerservice und bestellten überbackene Makkaroni und Sandwiches. Sie versteckte ihre Uniform und Schuhe im Schrank und schlüpfte ins Bad, als der Etagenkellner anklopfte. Nachdem er die Speisen auf dem Tisch arrangiert hatte und gegangen war, klopfte ich an die Badezimmertür.
    Wir teilten uns die Mahlzeit und tranken Bier dazu. Dann sprachen wir über die Zukunft. Ich teilte ihr mit, ich wolle nach Sapporo ziehen.
    »Tokyo hat ausgedient. Es hat keine Bedeutung mehr für mich«, sagte ich. »Ich habe heute den ganzen Tag darüber nachgedacht. Ich werde mich hier in Sapporo niederlassen. Mir eine annehmbare Arbeit suchen. Dann können wir uns immer sehen.«
    »Heißt das, du willst bleiben ?«
    »Ja. Bleiben«, sagte ich. Der Umzug würde kein großer Akt sein. Ich besaß nicht viel – Platten, Bücher, Kochgeschirr, mehr nicht. Das konnte ich in den Subaru laden und dann mit der Fähre übersetzen. Sperrige Sachen würde ich verkaufen oder wegwerfen und dann hier neu anschaffen. Bett und Kühlschrank hätte ich ohnehin bald ersetzen müssen. Ich behalte die Dinge einfach zu lange und pflege sie zu liebevoll.
    »In Sapporo miete ich mir ein Apartment und fange ein neues Leben an. Du kannst jederzeit kommen, wenn du Lust hast, und bei mir übernachten. Vorläufig werden wir erst mal auf diese Weise zusammenleben. Ich glaube, es könnte mit uns klappen. Ich bin in die Wirklichkeit zurückgekehrt, und du bist entspannt. Also bleiben wir beide da.«
    Yumiyoshi lächelte und gab mir einen Kuss. »Toll«, sagte sie.
    »Wie es dann weitergeht, weiß ich
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