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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee
Autoren: Nancy Atherton
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Wintergarderobe und befand sie für komplett inakzeptabel.
    Meine Bluejeans und die Pullover von der Heilsarmee erinnerten mich allzu sehr an die schlechten alten Zeiten. Ich brachte sie in einem Schwung zu Oxfam und füllte meine Kleiderschränke mit seidengefütterten, maßgeschneiderten Hosen und Oberteilen aller Art, von rohseidenen, aus handgewebter Wolle gefertigten bis hin zu edel schimmernden aus Samt. Ich ersetzte meine zerschlissenen Turnschuhe durch handgefertigte italienische Stiefel aus butterweichem Leder oder Wildleder und meinen noch viel verschlisseneren Bademantel durch einen Hausmantel im Stil der Vierziger, in einem delikaten Grau, vermischt mit Hellblau. Außerdem leistete ich mir einen prächtigen schwarzen Swing-Mantel aus Kaschmirwolle mit einem Schalkragen, den ich um meinen Hals schlingen konnte, wenn der Wind allzu heftig blies. Eigentlich war ich nie ein Modepüppchen gewesen, aber ich lernte offenbar schnell.
    Nachdem ich meine Garderobe erneuert hatte, begleitete ich meinen Mann nach Oxford. Während ihm bei seinem Schneider ein Weihnachtsmannkostüm angefertigt wurde, zog ich los und erbeutete antiken Christbaumschmuck und eine Baumspitze aus Glasgespinst. Wohl ein Dutzend Mal begaben Bill und ich uns auf einen Einkaufsbummel nach London, wo wir Geschenke für alle kauften, die wir kannten.
    Wir durchstreiften den Eichenwald in der Nähe des Cottages und sammelten Immergrün, Stechpalmen und Mistelzweige. Aus einer Baumschule bei Oxford brachten wir einen Weihnachtsbaum mitsamt Wurzeln nach Hause. Ich lud Bills englische Verwandte zu unserer Heiligabendparty ein und sorgte dafür, dass sie die Nacht auf Anscomb Manor verbringen konnten. Das geräumige Anwesen gehörte meiner Nachbarin und besten Freundin Emma Harris. Ich bestellte eine Gans, einen Truthahn und zwei Schinken für die Feier, dazu diverse Beilagen und bevorratete mich mit den Zutaten für etliche Backrunden, die das Cottage bis Weihnachten täglich aufs Neue mit Feiertagsduft erfüllen sollten.
    Morgen, am 14. Dezember, dem Geburtstag meiner verstorbenen Mutter, würde alles beginnen, das Schmücken, das Backen, das Einpacken der Geschenke, das Schmettern von Weihnachtsliedern. Ich konnte es kaum abwarten.
    Schon jetzt sah ich das festliche Cottage vor mir, das Wohnzimmer, den Flur, die Treppe, herausgeputzt mit Girlanden aus Immergrün und Mistelzweigen. Und überall Kerzen. Vor allem aber sah ich meine Familie – Mann, Schwiegervater und Söhne –, wie sie vor dem brennenden Kamin saßen, Becher mit heißer Schokolade und Teller voller Angel Cookies neben sich und den Frieden der Weihnachtszeit genießend.

    Nur eines fehlte, um die Feiertage vollkommen zu machen. Ich beugte mich vor, hauchte auf die Fensterscheibe und schrieb ein Wort auf die beschlagene Stelle: Schnee. Ich sehnte den Schnee so sehr herbei, dass ich ihn fast riechen konnte.
    Ich wollte, dass es nicht mehr aufhörte zu schneien, bis die Straßen und die Stoppelfelder mit dem weißen, reinen Pulver verzaubert waren.
    Ich wollte die staunenden Augen meiner Söhne sehen, wenn die weiße Pracht vor den Fensterscheiben wirbelte. Als die schwer beladenen Wolken sich vor die Mondsichel schoben, schaute ich hoffnungsvoll zum Himmel hinauf.
    Mein Ehemann räusperte sich, und ich wandte mich um. Bill saß in seinem Lieblingssessel, in Pullover und Kordhose. Willis senior hatte in einem Sessel auf der anderen Seite des Kamins Platz genommen und las einen Roman. Er trug einen Pyjama mit Bügelfalte, Lederslipper und einen prächtigen Schlafrock mit Paisleymuster.
    Die Zwillinge schliefen bereits in ihren Bettchen, und wir hatten ein Feuer entzündet, das fröhlich prasselte und einen rosigen Glanz in dem gemütlich eingerichteten Raum mit der niedrigen Decke verbreitete.
    Ich seufzte zufrieden und betrachtete Bill liebevoll. Er würde einen ganz hervorragenden Weihnachtsmann abgeben. Wenn ein Mensch für die Rolle des Geschenke verteilenden Heiligen geboren war, dann mein sanftmütiger, großherziger Gatte.
    Bill räusperte sich ein zweites Mal und legte die Hände über dem Bauch zusammen. »Weihnachten«, verkündete er ohne Vorwarnung,
    »sollte abgeschafft werden.«
    »Was?« Ich schreckte auf.
    »Weihnachten sollte abgeschafft werden«, wiederholte Bill und betonte jede Silbe. »Ich kann es nicht mehr ertragen.«
    »Aber es hat doch noch nicht mal angefangen«, entgegnete ich.
    Bill blinzelte. »Noch nicht mal angefangen?
    Und was haben wir dann in den
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