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Taken

Taken

Titel: Taken
Autoren: Erin Bowman
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ein Fenster. Ich habe das Bedürfnis, blauen Himmel, Wolken und Vögel zu sehen, die in Paaren fliegen. Ich muss mir sicher sein, dass irgendwo auf dieser Welt Gerechtigkeit herrscht.

38. Kapitel
    Das Leben in Crevice Valley geht weiter. Auch angesichts von so viel Dunkelheit und Tod werden Kinder geboren und Menschen heiraten. Inzwischen weiß ich, dass es wirklich so ist: Wenn die Menschen nicht durch den Raub gezwungen sind, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass ihre Gesellschaft nicht ausstirbt, dann tun sie sich zusammen wie die Vögel.
    Emma arbeitet inzwischen als Krankenschwester, aber ich gehe ihr aus dem Weg. Nur einmal bin ich mit ihr allein, als ich das Krankenhaus aufsuche, um die Verbrennungen an meinem Arm behandeln zu lassen. Sie versorgt die Wunde mit Salbe und Verband. Ich hatte vergessen, wie sanft ihre Hände sind, wie ihre Berührung einen Schmerz in meiner Brust hervorruft. Ich überlege, ob ich sie küssen soll, ihr Kinn umfassen. »Lass uns von vorn anfangen«, könnte ich sagen. Doch dann dreht sie mir den Rücken zu, um mehr Salbe zu holen, und meine spontane Regung verfliegt. Die Verbrennungen an meinem Arm heilen und weichen mit der Zeit welliger, ungleichmäßiger Haut, aber die Spannung zwischen uns verschwindet nicht.
    Bree wäscht sich die Farbe aus den Haaren und geht mehrmals ins Krankenhaus, um ihre Schusswunde behandeln zu lassen, innerhalb von Tagen ist es, als hätte sie nie einen Fuß nach Taem gesetzt. Wir verfallen wieder in unser übliches Geplänkel. Beim Training stacheln wir uns gegenseitig an. In unseren Gesprächen verspottet sie mich, und ich necke sie ohne Ende. Zumindest öffentlich vermeiden wir es, unsere Zuneigung so zur Schau zu stellen wie damals am Feuer, an dem Abend, an dem Harvey starb. Aber wenn sie an ruhigen Abenden an meine Tür klopft und mit ihrem blonden Haar, das ihr vollkommenes Gesicht umrahmt, vor mir steht, weise ich sie niemals ab.
    In diesen Nächten finden wir wenig Schlaf. Wir werden zu einem Knäuel aus Händen, Lippen und Haut, aber wenn es zu gefährlich wird, stoppt sie mich immer. Sie will kein Kind und ich ebenfalls nicht. Außerdem weiß ich tief in meinem Inneren, dass ich keine Chance mehr habe, mich mit Emma zu versöhnen, wenn ich jetzt mit ihr schlafe. Daher fühle ich mich jedes Mal, wenn Bree die Hände an meine Brust legt und flüstert: »Nicht jetzt, nicht heute Nacht«, merkwürdig erleichtert. Ich weiß, dass ich ohne ihre Worte nicht aufhören würde.
    Eines Tages, als wir eng umschlungen draußen auf dem Friedhof sitzen, frage ich Bree, wie sie mit so viel Tod umgeht, wie sie in der Überwachungszentrale in Union Central in der Lage war, herumzufahren und so schnell auf den Wachposten zu schießen.
    »Hast du schon einmal jemanden getötet, Gray?«, fragt sie und sieht mich aus ihren blauen Augen eindringlich an. Ich denke darüber nach, und trotz allem, was ich durchgemacht habe, ist das erstaunlicherweise nicht der Fall. Ich konnte nicht einmal einen Ordensmann töten, der mich angefleht hat, ihn zu erschießen.
    »Ich habe bisher nur gejagt«, sage ich.
    »Also, es ist anders als beim Jagen. Ganz anders. Nachdem ich bei einer Mission hier mit den Rebellen meinen ersten Gegner erschossen hatte, habe ich geweint. Stell dir vor – ich und heulen. Aber dann, nach einiger Zeit, als es mehr wurden, ist es leichter geworden. Ich sage nicht, dass es mir gefällt oder dass ich es überhaupt tun möchte; aber du kommst an einen Punkt, an dem du nicht über Moral oder Richtig und Falsch nachdenkst, wenn dein Leben auf dem Spiel steht und du siehst, wie der Fluchtweg sich vor deinen Augen schließt. Du denkst an Leben und Tod, ans Überleben. In Taem habe ich getan, was ich für das Richtige hielt, um uns am Leben zu erhalten, und dazu gehörte auch, den Abzug zu drücken. Wenn dieser Kampf weitergeht, wird ein Tag kommen, an dem du vor derselben Entscheidung stehst, und glaub mir, du wirst dich für dein eigenes Leben entscheiden, statt das eines anderen zu verschonen.«
    »Es kommt mir nur so herzlos vor, wie wir einander umbringen. Und du tust so, als wäre es notwendig. Du bist auch noch stolz darauf.«
    »Ich bin nicht stolz, weil ich töte, aber ich bin stolz, ein Teil der Rebellion zu sein. Ich bin stolz darauf, für unser Volk zu kämpfen, und daran wird sich nie etwas ändern.«
    Ich lächle über ihre Gewissheit. »Wirst du immer so unumwunden sein?«, frage ich scherzhaft.
    Mein unernster Ton entgeht ihr, und sie
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