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Taken

Taken

Titel: Taken
Autoren: Erin Bowman
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lächeln.
    »Wegen meiner Lippe? Vergiss es. Da waren wir Kinder.«
    »Nein, wegen Harvey. Wir haben ihn zurückgelassen. Bo sagte, wir hätten keine Zeit und müssten weiter, aber trotzdem komme ich einfach nicht darüber hinweg, dass wir nicht einmal nach ihm gesucht haben. Nach allen Opfern, die er gebracht hat, sind wir einfach in die entgegengesetzte Richtung davongelaufen.«
    Blaine fährt sich mit der Hand durch die Haare, die genau wie meine nachgewachsen sind.
    »Hör mal, ich habe mich furchtbar gefühlt, während du weg warst«, erklärt er. »Ich fand es grauenhaft. Ich war mir sicher, dass du nicht zurückkommen würdest. Pa auch. Das klingt jetzt schrecklich, als wäre Harvey mir vollkommen egal, aber ich bin froh darüber, dass es ihn getroffen hat und nicht dich. Wenn mich jemand gezwungen hätte, eine Wahl zwischen euch zu treffen, hätte ich so entschieden.«
    Ich runzle die Stirn. »Niemand sollte solche Entscheidungen treffen müssen. Nicht in diesen Dingen.«
    »Ich weiß. Trotzdem.«
    Er verabschiedet sich, um zur Physiotherapie zu gehen, und ich suche mir etwas zu essen. Eigentlich ist es noch zu früh fürs Abendessen, aber mein Magen ist unruhig. Ich bin mir nicht sicher, ob es die Nerven sind, das schlechte Gewissen oder echter Hunger, aber ich gehe zur Kantine und hole mir aus der Küche eine kleine Mahlzeit. Schließlich sitze ich neben Bree, die aussieht, als wäre sie inzwischen im Krankenhaus gewesen, um ihre Wunde reinigen zu lassen. Sie trägt ein Hemd, an dem kein Blut klebt, und erzählt Polly und Hal von unserer Mission.
    »Sicher sind wir nicht, aber es sieht aus, als hätten die Rebellen abgesehen von Christie noch weitere hundert Personen verloren.«
    »Was?«
    Bree sieht mich an wie einen Idioten. »Oh, das hatte ich vergessen«, lenkt sie dann ein. »Du bist ja während der Abschlussbesprechung bei Blaine gewesen.« Ich sehe sie durchdringend an, bis sie begreift, dass ich Einzelheiten hören will. »Ja, eine Gruppe Rebellen ist auf dem Platz gefallen – nachdem der Orden Verstärkung geschickt hatte, waren sie einfach zu wenige –, und diese Christie … Ich vermute, eine Kamera hat aufgenommen, wie sie euch im Labor geholfen hat. Einer unserer Spione meldet, sie sei am nächsten Morgen hingerichtet worden. Öffentlich, genau wie Harvey.«
    Mein Magen krampft sich zusammen. Christie muss gewusst haben, welche Folgen es haben würde, wenn Franks Kameras sie beobachteten, aber trotzdem ist mir schlecht. Ihretwegen bin ich noch am Leben. Ganz Crevice Valley ist ihretwegen jetzt geimpft. Immer mehr Menschen sterben für die Rebellen, und das ist nicht richtig. Warum sie? Wieso nicht ich, oder Bree oder Bo? Warum haben wir so viel Glück gehabt?
    Mit einem Mal muss ich allein sein.
    »Gray?«, fragt Bree, als ich vom Tisch aufstehe. »Bist du okay?«
    Ich gehe, ohne ihr zu antworten.
    In der Talsohle haben die Menschen ein Denkmal für Harvey und die Gefallenen der Kämpfe in Taem errichtet. Es besteht aus nichts weiter als einem Kreis, der auf dem Boden gezogen ist, aber die Leute treten in seine Mitte, um Briefe und Blumen abzulegen und Kerzen aufzustellen. Meine Taschen sind leer, ich besitze keine Gabe, die ich dazulegen könnte, aber ich trete trotzdem in den Kreis. Ich schließe die Augen und danke Harvey und Christie und all den anderen namenlosen Rebellen, die für die gute Sache gefallen sind. Ich gelobe ihnen, dass ich zu dem Versprechen stehen werde, das ich kürzlich abends am Feuer abgelegt habe. Der Kampf ist noch nicht vorüber. Manch einer hat vielleicht das Bedürfnis, diesen kleinen Sieg ein paar Tage lang zu feiern, aber trotzdem liegt noch ein harter Weg vor den Rebellen. Ich werde sie auf ihm begleiten und sogar einen Führungsposten übernehmen, wenn ich muss.
    Als ich mich umwende, um aus dem Kreis zu treten, wartet Emma hinter mir und hält eine kleine Kerze in der hohlen Hand. Die Flamme wirft Schatten über ihr Gesicht. Ich weiß, dass ich etwas sagen sollte, aber dennoch gehe ich ohne ein einziges Wort an ihr vorbei.
    Mein Zimmer sieht genauso aus, wie ich es verlassen habe: einfach und ungemütlich. Ich sitze auf meiner Bettkante und versuche mich zu erinnern, wie das Leben war, bevor das alles passiert ist. Ich habe das Gefühl, nicht einmal mehr derselbe Mensch zu sein. Vielleicht stimmt das sogar. Es gab einmal eine Zeit, da wollte ich nur Emma, und jetzt verwirrt mich sogar das.
    Ich betrachte das Bild an meiner Wand und wünsche mir, es wäre
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