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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr
Autoren: C Geraghty
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nicht im Büro verbringen wollt, schlage ich vor, dass ihr VERSCHWINDET.« Sie liebte Kriegsfilme.
    Uns musste man nicht zweimal bitten. Wir taumelten über die Straße ins O’Reilly’s zum üblichen Freitagabend-Absacker nach dem Motto »Nur der eine Drink, ach was, lass uns doch bleiben, bis es Zeit zum Rauswurf ist«. Eigentlich war ich seit Ewigkeiten nicht mehr im O’Reilly’s gewesen, aber der abgelaufene Baileys schmeckte nach mehr, und es war Freitagabend, und alle anderen gingen hin. Sollte Shane anrufen, konnte ich rausgehen und mit ihm reden.
    Als wir das Pub erreichten, war es mit Anzugträgern überschwemmt. Es summte wie im Bienenstock vor Gesprächen
zwischen Büroangestellten, die bei der Aussicht auf zwei Tage in Freiheit hysterisch reagierten, sich ihre Zwangsjacken herunterrissen und die wie Galgenstricke anliegenden Krawatten vom Hals zogen. Lauras fachkundiger Blick überflog die Menge, ihr Männersichtgerät schaltete auf höchste Stufe. Jetzt schien sie ihr Ziel entdeckt zu haben. Ihre Augen hörten auf umherzuschweifen, ihre Pupillen weiteten sich, und ihre Lippen formten sich zu ihrem legendären Schmollmund. Ich folgte ihrem Blick und machte ein paar Kerle aus unserer EDV-Abteilung aus, die im hinteren Teil des Pubs in einer dämmrigen Nische über ihren Biergläsern hingen. Einer von ihnen war der letzte Neuzugang auf der Gehaltsliste, aber ich konnte mich nicht seines Namens entsinnen. Brendan oder so.
    »Da lang.« Laura schwenkte ihren Kopf scharf herum und schlug mir dabei ihren dicken blonden Zopf ins Gesicht. Ich gehorchte – in erster Linie, weil an dem Tisch ein paar freie Stühle standen, aber auch, weil Widerstand zwecklos war. In meinem Kielwasser folgten Jennifer und Ethan. Norman bildete mit seinem üblichen Aufzug das Schlusslicht: zwei Flaschen Wein unterm Arm, die Weingläser am Stiel zwischen seinen Fingern baumelnd und genug Chipstüten, um damit ein Schiff zu versenken.
    »Abendessen und Getränke«, erklärte er, verteilte die Chipstüten auf dem Tisch und schenkte mit abgespreiztem kleinem Finger – was für eine Prinzessin – den Wein ein. Dann bemerkte er die Computerjungs.
    »Oh, Bernard, Peter, mir war nicht klar, dass ihr auch mit von der Partie seid.« Bernard und Peter sahen sich an, zuckten die Achseln und schoben geräuschvoll ihre Stühle am Tisch zusammen, um uns Platz zu machen. Bis dahin ein typischer Freitagabend.
    Ich hatte einen Baileys-Schwips, mir war heiß und
schwindelig, das pulsierende Treiben im Pub setzte sich in meinem Kopf fort. Ein Mann mit einem Gesicht rot wie ein Ziegelstein drängte sich an mir vorbei, wobei er drei Biergläser auf seinem praktisch hervorstehenden Bauch balancierte. Zwischen den Zähnen hielt er eine Packung Bacon Fries. Ich geriet auf meinen hohen Hacken ins Schwanken und packte Jennifers Arm, was in etwa so hilfreich war, wie nach einem Schilfrohr zu greifen, wenn man eine Klippe hinunterstürzt. Ihr zerbrechliches Gerippe war unfähig, dem Druck standzuhalten, und sie taumelte. Jetzt fiel ich um, eine mächtige Eiche in einem Wald voller Setzlinge. Ein Ruck und dann Erleichterung, als mich jemand von hinten auffing und die Arme um meinen Körper schlang. Die Hände umklammerten auf unanständige Weise meinen Brustkorb. Sanft wurde ich wieder auf meine Beine gestellt. Die Hände verlagerten sich von meinen Brüsten auf meine Schultern und drehten mich herum.
    »Geht es dir gut?« Es war der Neue. Norman, Laura, Jennifer, Ethan und Peter hatten sich rund um den Tisch niedergelassen und schenkten mir nicht die geringste Aufmerksamkeit. Sie waren daran gewöhnt, dass ich mich ständig in die peinlichsten Situationen manövrierte. Laura näherte sich Peters Gesicht, während sein Kopf sich gegen die Wand hinter ihm drückte.
    »Es geht mir gut. Hoffentlich hast du dir nicht den Rücken ruiniert, als du mich aufgefangen hast.« Ich grinste zu ihm hoch. In dem Moment sah er mich an, und ich trat taumelnd einen Schritt zurück.
    »Hier.« Er drückte mir ein randvolles Glas Wein in die Hände. »Trink das. Ist gut gegen den Schrecken.« Er zog seine Mundwinkel nach oben, und mir wurde klar, dass er lächelte. Er griff nach seinem Guinness und stieß sanft mit meinem Glas an. Ich trank einen mächtigen Schluck Wein
und riskierte danach einen Blick nach oben. Er war immer noch da, immer noch lächelnd, jetzt mit einem schaumigen Guinnessbart, der über seiner Oberlippe hing.
    »Ich bin übrigens Bernard. Ich habe dich
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