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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr
Autoren: C Geraghty
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schon früher gesehen, aber wir sind einander noch nicht richtig vorgestellt worden.«
    »Nein, wir neigen dazu, neue Leute niemandem in der Firma vorzustellen.« Ich zog an meinem Rock, um sicherzustellen, dass er noch immer mein Hinterteil bedeckte.
    »Warum nicht?«, fragte er. Seine Stirn war gerunzelt, doch er lächelte immer noch. Das war ziemlich sonderbar.
    »Die neuen Leute. Wir stellen sie nicht vor. Wir tratschen nur über sie und geben ihnen in verschiedenen Kategorien Noten von eins bis zehn.«
    »Was für Kategorien?«
    »Ach, du weißt schon, die üblichen. Reinlichkeit, Behaarung, Unterhaltungswert, allgemeine Einstellung zur Arbeit – je schlechter, desto besser.«
    Man sah ihm an, dass er sich die Frage stellte, wie er wohl in den einzelnen Kategorien abgeschnitten hatte, aber er sagte nichts. Wir unterhielten uns. Folgende Dinge fielen mir dabei auf:
    Wenn er lächelte, was oft vorkam, verengten sich seine schokobraunen Augen zu Schlitzen unter dunklen Wimpern, die abstanden wie Spinnenbeine.
    Er fand mich komisch, aber nicht komisch im Sinne von sonderbar – das konnte ich sehen.
    Er achtete auf meinen Alkoholspiegel und füllte zuvorkommend mein Weinglas, wenn der Inhalt unter die Mittelmarke sank.
    Als ich dran war, eine Runde auszugeben, bestand er darauf, sie zu übernehmen, und schmiss eine halbe Stunde
später seine eigene Runde – komplett mit einer Auswahl an Kartoffelchips, Bacon Fries und Erdnüssen.
    Als ich nach dem Pub Käse-Knoblauch-Pommes in Kevin’s Kebabbude (was uns immer zum Lachen brachte) vorschlug, ging er sofort darauf ein und gab mir sogar das Gefühl, dass es eine tolle Idee war. Wenn man meine Körperfülle hat, ist es manchmal peinlich, mit Ideen zu kommen, die sich darum drehen, sich samstagnachts um ein Uhr mit schockierenden Mengen an Kohlehydraten vollzustopfen.
    Das Rot der Haare, das Grau der Strickjacke und die Kürze seiner Hose fielen im Lauf des Abends immer weniger auf. Es waren bloß Haare und Kleider. Was Shane betrifft, an ihn dachte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Das war auch nicht nötig. Bernard und ich redeten einfach nur. Und lachten miteinander. Ich war nicht einmal überrascht darüber, dass ich mich gut fühlte. Ich fühlte mich eben einfach gut und dachte nicht weiter darüber nach. Das war erfrischend, wie rosafarbene Limonade.
    Ethan, Jennifer, Norman, Peter und Laura (in diesem Stadium in einer Umklammerung befindlich, die nur ein Wasserwerfer hätte lösen können) stolperten aus dem Pub auf der Suche nach einem Nachtclub, in dem sie sich Drinks für den Preis einer kleinen Insel im Pazifischen Ozean kaufen und auf einer Tanzfläche vage Imitationen von Kylie an einem ihrer nicht so guten Tage zum Besten geben konnten.
    Ich war einfach nur hungrig. Ich meine, ich hatte nicht zu Abend gegessen, und ein Mädchen kann nicht allein von Rotwein und Kippen überleben, obwohl das keiner glaubt, der mich an meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag gesehen hat – aber das ist eine andere Geschichte.

    Ich bestellte Milch zu meinen Pommes, und das war mein Untergang. Hätte ich wie jeder normale Erwachsene schwarzen Kaffee bestellt, wäre es nicht so weit gekommen. Ich meine, es ist nicht gerade so, als wäre Kevin’s besonders berühmt für sein gedämpftes Licht und die romantische Hintergrundbeschallung, nicht wahr? Egal, ich muss ein Milchbärtchen gehabt haben, also beugt sich dieser Typ herüber und streicht mit seinem Daumen – unglaublich sanft – über meine Oberlippe. Dann, man glaubt es nicht, leckt er seinen Daumen ab und sieht mich an.
    »Du hattest da nur etwas Milch«, sagt er mit einer Stimme, die plötzlich vor Begierde überkocht. Ich esse nicht einmal meine Pommes zu Ende – ganz was Neues für mich -, sondern lehne mich über den Tisch und küsse ihn einfach direkt auf den Mund. Plötzlich ist er auf meiner Seite des Tisches, seine Hände befinden sich in meinen Haaren, die ich glücklicherweise, bevor wir das Pub verließen, auf dem Klo gebürstet hatte. Er berührt mein Gesicht und saugt an meiner Unterlippe, und es ist so unglaublich lustvoll, und es ist so lange her, dass ich mich wie eine Achtjährige in »Claires Accessories« fühle – ich möchte alles, sofort und ohne dass irgendwer dumme Fragen stellt. Wir berühren uns überall, Hände zerren an Kleidern, die plötzlich einfach nur im Weg sind. Er beißt mich in den Hals, ich ziehe mit meinen Zähnen an seinem weichen Ohrläppchen. Falls da in meinem Kopf eine
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